Kurskorrekturen eines Technokraten. Die politische Rechtswendung des Nachrichtentechnikers und Zukunftsforschers Karl Steinbuch nach 1970 — Course Corrections of a Technocrat. The Rightist Turn of the Information Technologist and Futurologist Karl Steinbuch after 1970
Karl Steinbuch (1917-2005) war ein Pionier in der Computertechnik und einflussreich in Futurologie und Kybernetik. Als Entwicklungsleiter bei Standard Elektronik Lorenz meldete er zahlreiche Patente an und entwickelte als Professor an der TH Karlsruhe 1961 eines der ersten künstlichen neuronalen Netze. Zugleich äußerte sich Steinbuch über Jahrzehnte politisch - mit Bestsellern und Artikeln, in Rundfunksendungen und im Fernsehen. Als Wahlkampfhelfer von Willy Brandt war er zugleich wissenschaftlicher Berater der SPD, ehe es 1972 zum offenen Konflikt kam. Steinbuch näherte sich zunächst der Union, dann nationalistischen Standpunkten an. In der Person von Karl Steinbuch kristallisieren verschiedene Dimensionen des Verhältnisses von Technik und Politik, Technokratie und technological fix. Die Untersuchung der Wortmeldungen des Technik-Intellektuellen eröffnet somit Perspektiven, wie technisch strukturiertes Denken Vorstellungen über Gesellschaft und Politik prägen kann. Zugleich zeigt sich, dass ein konstantes Technikverständnis keineswegs zu konstanten politischen Ansichten führt, wenngleich eine Nähe zu autoritärem Denken offenbar wird. Der Aufsatz liefert zudem neue Hinweise zur Biografie Steinbuchs, deren weitere Erforschung aufgrund seiner zentralen Rolle in der politischen Kultur des deutschen Südwestens als Desiderat gekennzeichnet wird.