Familienaufstellung als Einzelintervention im Gruppensetting bei chronisch-psychosozialen Konflikten: Kurz-, mittel- und langfristige Wirksamkeit

2020 ◽  
Vol 68 (4) ◽  
pp. 263-273 ◽  
Author(s):  
Christina Hunger-Schoppe

Zusammenfassung. Familienaufstellungen als systemtherapeutische Einzelinterventionen im Gruppensetting sind vielfach Teil der Versorgung in psychiatrischen, psychologischen und psychotherapeutischen Einrichtungen. Sie dienen der räumlichen Inszenierung symptomatischer Beziehungsstrukturen in Familiensystemen entlang dem Anliegen einer oder eines Fallgebenden. Da Mitglieder des Familiensystems i.d.R. nicht anwesend sind, werden diese durch sogenannte Repräsentanten vertreten. Familienaufstellungsseminare umfassen meist 3-tägige Gruppen mit 26 Teilnehmenden, davon 15 Fallgebende. Bisher existiert kaum evidenzbasierte Forschung zu dieser Interventionsform. Daher diente eine randomisiert kontrollierte Studie (RCT) der Überprüfung ihrer kurzfristigen Wirksamkeit im Vergleich zu einer 4-monatigen Wartegruppe (Studie 1, n = 208), zur mittelfristigen Wirksamkeit für die Interventionsgruppe nach 8 und 12 Monaten (Studie 2, n = 104) und zur langfristigen Wirksamkeit nach 5 Jahren kumuliert für die Interventions- und Wartegruppe mit nachheriger Familienaufstellung (Studie 3, n = 137). Die Stichprobe wurde in der Allgemeinbevölkerung rekrutiert ( M = 48–52 Jahre, SD = 9–10; 79–84% Frauen). Es zeigten sich Verbesserungen nach 2 Wochen bzgl. des psychologischen (EB-45, FEP, K-INK; d = 0.46–0.55) und systembezogenen Funktionsniveaus (EXIS; d = 0.27–0.61) mit stabilen Effekten nach 4, 8 und 12 Monaten. Nach 5 Jahren zeigte sich das systembezogene Funktionsniveau ( d = 0.48) weiterhin stabil verbessert, hingegen das psychologische Funktionsniveau vergleichbar zur Baseline. Per-Protocol-Analysen unterstützten die Intention-to-Treat-Analysen. Die Ergebnisse weisen auf eine kurz-, mittel- und langfristige Wirksamkeit von Familienaufstellungen hin und ermutigen zur Replikation und zu Studien mit klinisch beeinträchtigten Teilnehmenden, z.B. als Zusatzangebot stärker kognitiv ausgerichteter psychologischer Psychotherapien.

2019 ◽  
Vol 82 (11) ◽  
pp. 844-851
Author(s):  
Karin Schmiedel ◽  
Andreas Mayr ◽  
Cornelia Fießler ◽  
Helmut Schlager ◽  
Kristina Friedland

Zusammenfassung Ziel der Studie Ziel der Studie war es, die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie die Zufriedenheit während der Teilnahme am einjährigen Diabetes-Präventionsprogramm GLICEMIA zu erheben. Methodik GLICEMIA besteht aus drei individuellen Beratungen sowie fünf Gruppenschulungen zur Lebensstiländerung. Im Rahmen einer cluster-randomisierten Studie wurden die Teilnehmer von GLICEMIA mit einer Kontrollgruppe verglichen, welche eine schriftliche Standardinformation erhielt. Nach 12 Monaten wurde die Entwicklung des 10-Jahres-Diabetes-Risikos der Teilnehmer mithilfe des FINDRISK beurteilt. Weiterhin wurde die Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität anhand des Short Form Health Survey SF-12 sowie die Zufriedenheit der beiden Gruppen verglichen. Ergebnisse Insgesamt wurden die Daten von 1087 Studienteilnehmern bei der Intention-to-treat-Analyse ausgewertet. Während der Teilnahme an GLICEMIA reduzierten 38,9% ihren FINDRISK, wohingegen dies von 20,9% der Kontrollgruppe erreicht wurde. Hierbei verbesserte sich die körperliche Lebensqualität in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant (adjustierte Effektgröße: 2,39 Punkte; 95%-Konfidenzintervall 1,43–3,34). Die Teilnehmer von GLICEMIA, welche ihr Diabetes-Risiko reduzierten, hatten nach einem Jahr eine verbesserte psychische und körperliche Lebensqualität. Dies konnte in der Kontrollgruppe nicht beobachtet werden. Gesamtnutzen und Zufriedenheit mit dem Programm wurden in der Interventionsgruppe als sehr hoch eingestuft. Schlussfolgerung Die Teilnehmer von GLICEMIA hatten mit einem signifikant niedrigeren 10-Jahres-Diabetes-Risiko sowie einer verbesserten körperlichen und psychischen Lebensqualität einen hohen Nutzen vom Programm. Dieser hohe Gesamtnutzen spiegelt sich auch in der Zufriedenheit der Teilnehmer wider. Ein flächendeckendes Angebot des Programms sollte angestrebt werden.


2015 ◽  
Vol 72 (7) ◽  
pp. 475-480
Author(s):  
Raphael Scholl

Zusammenfassung. Zu den wichtigsten Ursachen peptischer Ulzera gehört das Bakterium Helicobacter pylori. Aber wie wurde dieser ursächliche Zusammenhang nachgewiesen? Aufschluss darüber gibt die Geschichte und Theorie einer Reihe einschlägiger Studien, die in den 1980er Jahren durchgeführt wurden. Am Anfang stand die Entdeckung einer blossen Korrelation zwischen dem neu entdeckten Bakterium und peptischen Ulzera in Magenbiopsien. Unklar blieb, ob das Bakterium die Krankheit verursachte, oder ob es bloss eine opportunistische bakterielle Besiedlung darstellte. Ohne Tiermodell war der experimentelle Nachweis der Richtung der Verursachung jedoch schwierig: Zwar wurde in einem couragierten Selbstversuch mit einer geschluckten Bakterienkultur eine Gastritis beobachtet – aber der Einzelfall war wenig aussagekräftig. Die Schwächen des Selbstversuchs liessen sich durch eine randomisierte, Plazebo-kontrollierte Studie beheben, die den Anforderungen des dritten Koch’schen Postulats gerecht wurde. Darüber hinaus war es notwendig, erste Aufschlüsse über den Mechanismus der ursächlichen Verbindung zwischen H. pylori und peptischen Ulzera zu gewinnen: Wie zum Beispiel kann das Bakterium im sauren Milieu des Magens überleben? Die wissenschaftshistorische und wissenschaftstheoretische Betrachtung des Falls illustriert, wie medizinisches Wissen schrittweise aufgebaut wird.


Author(s):  
Barbara Braun ◽  
Silke Behrendt ◽  
Daniela Piontek ◽  
Ludwig Kraus ◽  
Gerhard Bühringer

Zusammenfassung. Zielsetzung: Der demographische Wandel lässt eine höhere Anzahl älterer Personen mit Alkoholproblemen erwarten, deren therapeutische Versorgung bislang unzureichend ist. Mit der internationalen, randomisiert-kontrollierten ELDERLY-Studie wurden zwei Varianten einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung für Personen ab 60 Jahren mit einer Alkoholkonsumstörung nach DSM-5 (AS) in drei Ländern erprobt. Methodik: Nach der Baseline-Befragung wurden die zufällig zugeordneten Behandlungsgruppen nach 1, 3, 6 und 12 Monaten erneut untersucht. Erfasst wurden Veränderungen (Zeit und Gruppe) hinsichtlich Trinkmenge, Anzahl abstinenter Tage, Anzahl Tage Rauschtrinken und Tage risikoarmen Konsums sowie Anzahl zutreffender DSM-5-Kriterien für AS. Complete-Case- und Intention-to-treat-Analysen werden für die deutsche Teilstichprobe vorgestellt (n=203). Ergebnisse: Für beide Behandlungsgruppen ergaben sich stabil bis zu 12 Monate nach Baseline ein Anstieg der Abstinenzrate (18 %; t0: 4 %), des Anteils der Personen ohne einen Tag mit riskantem Konsum (45 %, t0: 4 %) sowie ohne Rauschtrinken (68 %, t0: 15 %). Auch zeigte sich eine Verringerung der Trinkmenge (Median bei 27 g Reinalkohol pro Trinktag; t0: 58 g) und Anzahl erfüllter AS-Kriterien (Median bei 2; t0: 5). Schlussfolgerungen: Die Verbesserungen des Trinkverhaltens und der AS-Symptome waren trotz relativ kurzer Behandlungsdauer stabil. Motivierende Interventionen, insbesondere die persönliche Rückmeldung zum Trinkverhalten, bewirken auch bei älteren Personen mit alkoholbezogenen Störungen Verhaltensänderungen. Ein therapeutischer Nihilismus ist unangebracht; vielmehr sollten spezifische Bedürfnisse der Zielgruppe beachtet und in passenden Versorgungsangeboten umgesetzt werden.


2002 ◽  
Vol 31 (4) ◽  
pp. 284-290 ◽  
Author(s):  
Jutta Joormann ◽  
Suzan Unnewehr

Zusammenfassung. Hintergrund: Der Beginn der Sozialen Phobie liegt in der Regel im Kindes- und Jugendalter, dennoch fehlen bislang kontrollierte Therapiestudien zur Überprüfung von Programmen zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Sozialer Phobie. Fragestellung: Überprüfung der Effektivität eines kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Gruppenprogramms zur Behandlung der Sozialen Phobie bei Kindern und Jugendlichen. Methode: Acht Kinder und Jugendliche mit Sozialer Phobie wurden behandelt, sechs Kinder und Jugendliche wurden einer Wartekontrollgruppe zugeordnet. Der Nachkontrollzeitraum betrug 1 Jahr. Ergebnisse: Die Therapiegruppe zeigte im Vergleich zur Wartekontrollgruppe eine deutliche und signifikante Reduktion in der selbstberichteten Symptomatik sowie in der Anzahl erlebter Angstsymptome während einer angstauslösenden Situation. Schlussfolgerung: In der Studie finden sich erste Hinweise auf eine stabile störungsspezifische Wirksamkeit der Therapie für Kinder und Jugendliche mit Sozialer Phobie.


2011 ◽  
Vol 19 (1) ◽  
pp. 23-34 ◽  
Author(s):  
Tanja Zimmermann ◽  
Nina Heinrichs

Zusammenfassung. Die psychosozialen Auswirkungen einer Brustkrebsdiagnose und -behandlung auf die betroffenen Frauen und auch ihre Partner beinhalten neben emotionalen Schwierigkeiten auch sexuelle und partnerschaftliche Probleme. Diese randomisiert-kontrollierte Studie untersucht die Wirksamkeit einer kurzen partnerschaftlichen Intervention (Seite an Seite) bei Paaren, bei denen die Frau an Brustkrebs erkrankt ist, auf die sexuelle Funktionsfähigkeit des Paares über einen Zeitraum von 1.5 Jahren nach Diagnosestellung. Sexualität wird dabei auf mehreren Ebenen erfasst: Sexuelle Gedanken, sexuelle Erregung, sexuelle Erfahrung, Orgasmus und sexuelles Verlangen. An der Studie nahmen 72 Paare teil, von denen 38 ein partnerschaftliches Unterstützungstraining erhielten und 34 die Kontrollgruppe bildeten. Die Ergebnisse zeigen, dass Männer in den Bereichen sexuelle Erregung (signifikante Zunahme der Häufigkeit des Erlebens sexueller Erregung) und sexuelles Verlangen (stärkeres Interesse an Sexualität sowie höhere Zufriedenheit mit der Beziehung zur Partnerin und der eigenen sexuellen Funktionsfähigkeit) von der Intervention profitieren. In Bezug auf sexuelle Erfahrungen zeigte die Intervention sowohl bei den Patientinnen als auch bei ihren Partnern eine signifikante Zunahme der Häufigkeit sexueller Aktivitäten, die auch nach 6 Monaten noch stabil blieb. Trotz andauernder medizinischer Behandlung (Chemo-, Strahlen- bzw. Hormontherapie) findet sich eine Zunahme sexueller Aktivitäten bei Paaren in der Seite an Seite Intervention. Obwohl die sexuelle Funktionsfähigkeit ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität ist, erhält das Thema Sexualität im klinischen Kontext nur wenig Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass der offene und routinemäßige Umgang mit dem Thema Sexualität ein wichtiger Aspekt psychoonkologischer Angebote sein sollte.


2020 ◽  
Vol 70 (11) ◽  
pp. 475-480
Author(s):  
Claudia Pieper ◽  
Sarah Schröer ◽  
Helen Spanier ◽  
Simon Cohen ◽  
Holger Russ ◽  
...  

ZusammenfassungMitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen sind berufsbedingt besonderen Belastungen ausgesetzt. Diese entstehen durch das Auseinandersetzten mit Leid und Tod oder durch traumatisierende Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten. Daraus können negative gesundheitliche Auswirkungen seelischer und körperlicher Art folgen. Möchten Betroffene dem entgegenwirken, so lassen sich nur selten präventive Maßnahmen finden. Gefördert durch den Innovationsfonds sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen innovativ in Form von Kreativen Stärkungsgruppen nachhaltig gestärkt werden.Das UPGRADE-Projekt bietet die Teilnahme an Kreativen Stärkungsgruppen. Zur Untersuchung der Wirksamkeit wird eine randomisierte kontrollierte Studie mit 366 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (Alter > 18) durchgeführt. Die Interventionsgruppe nimmt an den Kreativen Stärkungsgruppen teil. Beide Gruppen werden zu 3 Zeitpunkten zur Arbeitszufriedenheit, der subjektiven Arbeitsbelastung und Arbeitsfähigkeit befragt, um eine mögliche Veränderung durch die Teilnahme an den Kreativen Stärkungsgruppen festzustellen. Um die Umsetzbarkeit der Intervention zu bewerten, wird eine ergänzende formative Evaluation durchgeführt.Wenn sich das Angebot der Kreativen Stärkungsgruppen im UPGRADE-Projekt als niedrigschwelliges Angebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen als wirksam erweist, ist eine Anpassung und Umsetzung in anderen Bereichen möglich und wichtig.


Sign in / Sign up

Export Citation Format

Share Document