Gesundheit durch Gentests?

2002 ◽  
Vol 10 (3) ◽  
pp. 97-107 ◽  
Author(s):  
Hendrik Berth ◽  
Andreas Dinkel ◽  
Friedrich Balck

Zusammenfassung. Prä- und postnatale genetische Diagnostik zur Ermittlung eines individuellen Erkrankungsrisikos gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dementsprechend sind genetische Untersuchungen des menschlichen Erbgutes sowie damit verbundene Anwendungsbereiche Gegenstand intensiver gesellschaftlicher Diskussion. Zu den möglichen Vor- und Nachteilen genetischer Untersuchungen wurde eine deutschlandrepräsentative Stichprobe (N = 2.076 Personen) befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass genetische Untersuchungen insgesamt auf eine große Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen, ca. zwei Drittel stehen ihnen befürwortend gegenüber. Jedoch werden auch mögliche Nachteile solcher diagnostischer Maßnahmen, wie z.B. Schwangerschaftsabbrüche oder Diskriminierung, benannt. Faktorenanalytisch ließen sich aus den 13 Items des eingesetzten Fragebogens drei Skalen (Positive Aspekte, Negative Aspekte, Befürchtungen) bilden. Eine Varianzanalyse erbrachte Unterschiede in den Skalen zwischen verschiedenen soziodemographischen Gruppen: Während Geschlecht und Lebensalter keinen bzw. wenig Einfluss haben (Ältere sehen mehr negative Aspekte als Jüngere), finden sich deutliche Unterschiede zwischen konfessionsgebundenen und konfessionslosen Personen. Die Befragten, die einer Religionsgemeinschaft angehören, sehen genetische Untersuchungen wesentlich kritischer. Hinsichtlich des Bildungsstandes ist festzustellen: Personen mit höherer Bildung sehen mehr positive und weniger negative Aspekte hinsichtlich genetischer Untersuchungen. Die Ergebnisse werden mit internationalen Studien verglichen. Abschließend werden Überlegungen zur Relevanz genetischer Untersuchungen und der sich abzeichnenden weiteren Entwicklungen für die Gesundheitspsychologie angestellt.

2020 ◽  
Vol 88 (09) ◽  
pp. 601-608
Author(s):  
Lars Tönges ◽  
Chi Wang Ip ◽  
Christian Dresel ◽  
Paul Lingor ◽  
Ilona Csoti ◽  
...  

ZusammenfassungSeit der Erstbeschreibung einer monogenetischen Ursache der Parkinson-Erkrankung sind mehr als 20 Jahre vergangen. Trotz der Fortschritte der molekulargenetischen Diagnostik wird diese immer noch sehr selten durchgeführt. Genetische Untersuchungen bei Patienten mit Parkinson-Syndromen werden allerdings zukünftig einen großen Stellenwert einnehmen. Dies ist nicht nur im Hinblick auf die Diagnosesicherung bei Parkinson-Patienten mit jungem Erkrankungsbeginn und / oder positiver Familienanamnese zu sehen, sondern auch im Rahmen der personalisierten Medizin mit neuen therapeutischen Möglichkeiten. Im Folgenden möchten wir einen Überblick über die Grundlagen der genetischen Diagnostik, die gesetzlichen Voraussetzungen, das Vorgehen für eine genetische Diagnostik und einen Ausblick in die Zukunft bei genetischen Parkinson-Erkrankungen geben.


2019 ◽  
Vol 231 (05) ◽  
pp. 233-239
Author(s):  
Marie Mey ◽  
Andreas C.W. Jenke ◽  
Peter Borusiak

Zusammenfassung Hintergrund Die informierte Zustimmung des Patienten bzw. seiner Sorgeberechtigten ist unabdingbare Voraussetzung für genetische Diagnostik. Die Aufklärung über derartige genetische Diagnostik stellt den beratenden Arzt vor besondere Herausforderungen bzgl. laienverständlicher Vermittlung komplexer Zusammenhänge, Empathie in die Situation der Familie, Berücksichtigung des elterlichen Rechtes auf Wissen ebenso wie auf Nichtwissen. Die Erwartungen von Eltern an eine solche Aufklärung sind bisher allerdings kaum untersucht. Methode In einem stufenweisen Vorgehen wurden zunächst freie Interviews mit 5 Elternpaaren geführt, auf deren Basis ein halbstandardisierter Fragebogen entwickelt wurde. Dieser wurde dann in einer Befragung von 30 Eltern von Kindern mit Intelligenzminderung, Autismus und/oder Epilepsien, bei denen eine molekulargenetische Untersuchung in der Vergangenheit durchgeführt wurde, eingesetzt. Ergebnisse Die Aufklärungsgespräche bedeuten für die Eltern eine Herausforderung und emotionale Anspannung. Einen hohen Stellenwert haben hier v. a. die Bereiche „Diagnose“ und „Therapie“. Die Eigeneinschätzung der Vorkenntnisse ist sehr unterschiedlich, wobei viele Eltern Verständnisprobleme im Gespräch angaben. Überwiegend als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ wurden folgende Themenbereiche eingeordnet: Befunde unklarer Zuordnung bzgl. der Pathogenität, Zufallsbefunde, Recht auf Nichtwissen, psychische Folgen, weiterer Verlauf, mögliche Therapien. 10 Eltern hatten entweder keinen oder einen Sonderschulabschluss, 20 Eltern waren im Deutschen Nichtmuttersprachler. Diskussion Eltern haben einen hohen Informationsbedarf, der fast alle Bereiche der Aufklärung umfasst. Kommunikative Hürden erschweren auch aus Elternsicht die Aufklärung. Hier besteht klares Verbesserungspotenzial. Internet-basierte Angebote in mehreren Sprachen und in leichter Sprache könnten eine Hilfestellung bieten.


2013 ◽  
Vol 70 (11) ◽  
pp. 621-631 ◽  
Author(s):  
Deborah Bartholdi ◽  
Peter Miny

Neue Schlüsseltechnologien führen gegenwärtig zu einem grundlegenden Wandel im klinischen Einsatz genetischer Labordiagnostik. In der Pränataldiagnostik hat die nicht invasive Abklärung von Aneuploidien im mütterliche Blut Fuß gefasst (NIPT) und dieser Ansatz wird in Zukunft auch bei anderen Chromosomenstörungen und Fragestellungen (monogene Erkrankungen) zum Einsatz kommen. Im postnatalen Bereich hat die Microarray Analyse (Array-CGH, molekulare Karyotypisierung) die konventionelle Chromosomenanalyse bei der Abklärung von Kindern mit Fehlbildungen, einer nicht-syndromalen geistigen Behinderung oder Autismusspektrumstörung abgelöst. Die neuen Hochdurchsatzsequenziermethoden erlauben die effiziente Abklärung von genetisch sehr heterogenen Krankheitsbildern wie z. B. Epilepsien, neuromuskuläre Erkrankungen und Schwerhörigkeit, durch Diagnostik-Panels, bei welchen Dutzende von Genen parallel analysiert werden können. Der Einsatz der Exom oder whole genome Sequenzierung als wissenschaftliche Methode zur Identifizierung von neuen Krankheitsgenen wird auch in der Diagnostik von schweren ungeklärten Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen, die genetisch extrem heterogen sind, zum Einsatz kommen. Die neuen Methoden werden die klinische Diagnostik in der Pädiatrie und anderen Bereichen der Medizin über kurz oder lang verändern, indem die genetische Labordiagnostik eher früher im Abklärungsprozess zur Anwendung kommen wird (genetics first).


2007 ◽  
Vol 7 (04) ◽  
pp. 203-208
Author(s):  
Wieland Kiess ◽  
Thomas Kapellen ◽  
Angela Galler

ZusammenfassungGene spielen bei der Pathogenese des Diabetes mellitus eine wichtige Rolle. Die häufigste Form bei Kindern und Jugendlichen ist der Diabetes mellitus Typ 1. Bei vorhandener genetischer Prädisposition kann durch verschiedene Umweltfaktoren eine Autoimmunreaktion ausgelöst werden, welche durch Zerstörung der Betazellen zum Insulinmangel und somit zum Diabetes mellitus Typ 1 führt. Beim Diabetes mellitus Typ 2, welcher bei der zunehmenden Adipositas im Kindes- und Jugendalter in den letzten Jahren in Deutschland häufiger zu beobachten ist, spielen genetische Faktoren eine entscheidende Rolle. Der Diabetes mellitus Typ 2 wird polygen vererbt. Bisher liegen jedoch nur unzureichende Daten vor, um eine genetische Diagnostik in der Praxis sinnvoll erscheinen zu lassen. Bei einer Reihe von weiteren Diabetestypen ist deren genetische Ursache in den letzten Jahrzehnten geklärt worden. Eine genetische Diagnostik ist in diesen Fällen notwendig und sinnvoll. Der Maturity Onset Diabetes of the Young (MODY) fällt meist durch seine im Vergleich zum Diabetes mellitus Typ 1 mildere Verlaufsform auf und wird mit einer Häufigkeit von 5–10% aller Diabetesformen beziffert. Der MODY Typ 2 wird durch eine Mutation im Glukokinase-Gen hervorgerufen, der MODY Typ 3 durch eine Mutation im HNF-1α-Gen. Der mitochondriale Diabetes mellitus wird aufgrund der häufig auftretenden Schwerhörigkeit auch als MIDD (Maternally Inherited Diabetes and Deafness) bezeichnet und durch Mutationen im mitochondrialen Genom hervorgerufen. Weiterhin wurden in den letzten Jahren verschiedene Genmutationen beim sehr seltenen neonatalen Diabetes mellitus (transienter und permanenter neonataler Diabetes mellitus) aufgeklärt.


Phlebologie ◽  
2021 ◽  
Author(s):  
Charlotte Kemper ◽  
Magdalena Danyel ◽  
Claus-Eric Ott ◽  
René Hägerling

Zusammenfassung Einleitung Das primäre Lymphödem ist eine genetisch bedingte, angeborene Erkrankung, die durch einen unzureichenden Abtransport von Lymphflüssigkeit aufgrund einer Fehlbildung oder Fehlfunktion des Lymphgefäßsystems entsteht. Dabei tragen periphere und systemische Manifestationen zum letztendlichen Phänotyp bei. Neben peripheren Manifestationen des primären Lymphödems, v. a. Schwellungen der unteren Extremität, können auch systemische Manifestationen, wie z. B. Aszites, intestinale und pleurale Lymphangiektasien, Chylothorax, Pleura- und Perikarderguss oder auch der Hydrops fetalis, auftreten. In Abhängigkeit vom ursächlichen Gen und der zugrunde liegenden genetischen Veränderung unterscheiden sich sowohl die klinischen Manifestationen als auch der Ausprägungsgrad des Lymphödems. Klassifikation Die Krankheitsbilder, die mit einem primären Lymphödem einhergehen, lassen sich in 5 Kategorien aufteilen: (1) Erkrankungen, die mit einer segmentalen Wachstumsstörung assoziiert sind und auf einem somatischen Mosaik beruhen, (2) syndromale Erkrankungen, (3) Erkrankungen, bei denen das primäre Lymphödem eine systemische Beteiligung aufweist, (4) kongenitale Krankheitsbilder und (5) nach dem ersten Lebensjahr auftretende (Late Onset) Krankheitsbilder. Genetische Diagnostik Basierend auf der Klinik des Patienten und der Zuordnung zu einer der 5 Kategorien kann eine zielgerichtete genetische Diagnostik erfolgen, zunächst beginnend mit einer konventionellen zytogenetischen Untersuchung (Chromosomenanalyse) sowie einer molekularzytogenetischen Methode (Array-CGH). Anschließend kann eine molekulargenetische Untersuchung im Rahmen von Einzelgenanalysen, Panel-Untersuchungen oder Exom- sowie Ganzgenomsequenzierung durchgeführt werden, durch die genetische Varianten oder Mutationen aufgedeckt werden können, die als kausal für die Symptomatik identifiziert werden können. Fazit Betroffene eines primären Lymphödems profitieren von einer gezielten genetischen Diagnostik, da die verschiedenen Krankheitsbilder meistens nur durch die Detektion einer assoziierten genetischen Veränderung diagnostiziert werden können und somit eine Aussage über Vererbung und Wiederholungsrisiko möglich ist.


Author(s):  
S. Zorn ◽  
J. v. Schnurbein ◽  
K. Kohlsdorf ◽  
C. Denzer ◽  
M. Wabitsch

ZusammenfassungSeltene Genvarianten im Leptin-Melanokortin-Signalweg können die Hunger- und Sättigungsregulation stören und eine extreme Adipositas im frühen Kindesalter verursachen. Um Stigmatisierung und frustrane Therapieversuche zu vermeiden, ist eine frühe genetische Diagnostik notwendig. Zukünftig sind für einige Formen der genetischen Adipositas pharmakologische Therapiemöglichkeiten verfügbar. Der Fallbericht handelt von einem Mädchen mit extremer Adipositas infolge eines compound-heterozygoten Leptinrezeptordefekts und ihrem langwierigen Prozess bis zur Diagnosefindung und zum Beginn einer pharmakologischen Therapie.


2011 ◽  
Vol 24 (2) ◽  
pp. 85-86
Author(s):  
H. Lerche ◽  
B. Neubauer

2017 ◽  
Vol 142 (09) ◽  
pp. 657-664 ◽  
Author(s):  
Frauke Czepluch ◽  
Bernd Wollnik ◽  
Gerd Hasenfuß

2018 ◽  
Vol 235 (11) ◽  
pp. 1235-1241
Author(s):  
Bernd Wissinger

ZusammenfassungHereditäre Optikusatrophien stellen eine heterogene Gruppe seltener degenerativer Erkrankungen der retinalen Ganglienzellen und ihrer Axone, welche den Sehnerv bilden, dar. Mit einer geschätzten Prävalenz von 1 : 10 000 bis 1 : 20 000 betreffen die hereditären Optikusatrophien in ihrer Gesamtheit etwa 4000 – 8000 Menschen in Deutschland. Am verbreitetsten sind die Leberʼsche Optikusatrophie (LHON) und die autosomal-dominante Optikusatrophie (ADOA). Neben den isolierten Optikusatrophien, deren Symptomatik sich auf das visuelle System beschränkt, gibt es zahlreiche Krankheitsbilder, bei welchen die Optikusatrophie Teil einer syndromalen Erkrankung mit vornehmlich neurosensorischer, neurologischer und/oder neuromuskulärer Symptomatik ist. Der Vererbungsmodus ist heterogen mit einer rein maternalen Vererbung bei der LHON und autosomal-dominanter Vererbung bei der ADOA. Deutlich seltener sind Fälle mit autosomal-rezessiver oder X-chromosomal-rezessiver Vererbung. Die Penetranz ist jedoch unvollständig. Bei der LHON erkranken zudem weitaus häufiger Männer als Frauen. Die genetischen Ursachen der hereditären Optikusatrophien sind heterogen, aber größtenteils bekannt. Die molekulargenetische Diagnostik liefert daher in der Mehrzahl der untersuchten Fälle ein aussagekräftiges Ergebnis, mit welchem die klinische Diagnose abgesichert, das Wiederholungsrisiko in der Familie konkret kalkuliert oder im Falle der Bestätigung einer LHON eine therapeutische Behandlung initiiert werden kann. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die genetischen Ursachen der hereditären Optikusatrophien und die Optionen und Modalitäten einer molekulargenetischen Diagnostik einschließlich Hinweisen zu deren Implementierung in der Praxis.


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