Genetische Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsstörung, Behinderung und Epilepsien – was erwarten Eltern von der Aufklärung

2019 ◽  
Vol 231 (05) ◽  
pp. 233-239
Author(s):  
Marie Mey ◽  
Andreas C.W. Jenke ◽  
Peter Borusiak

Zusammenfassung Hintergrund Die informierte Zustimmung des Patienten bzw. seiner Sorgeberechtigten ist unabdingbare Voraussetzung für genetische Diagnostik. Die Aufklärung über derartige genetische Diagnostik stellt den beratenden Arzt vor besondere Herausforderungen bzgl. laienverständlicher Vermittlung komplexer Zusammenhänge, Empathie in die Situation der Familie, Berücksichtigung des elterlichen Rechtes auf Wissen ebenso wie auf Nichtwissen. Die Erwartungen von Eltern an eine solche Aufklärung sind bisher allerdings kaum untersucht. Methode In einem stufenweisen Vorgehen wurden zunächst freie Interviews mit 5 Elternpaaren geführt, auf deren Basis ein halbstandardisierter Fragebogen entwickelt wurde. Dieser wurde dann in einer Befragung von 30 Eltern von Kindern mit Intelligenzminderung, Autismus und/oder Epilepsien, bei denen eine molekulargenetische Untersuchung in der Vergangenheit durchgeführt wurde, eingesetzt. Ergebnisse Die Aufklärungsgespräche bedeuten für die Eltern eine Herausforderung und emotionale Anspannung. Einen hohen Stellenwert haben hier v. a. die Bereiche „Diagnose“ und „Therapie“. Die Eigeneinschätzung der Vorkenntnisse ist sehr unterschiedlich, wobei viele Eltern Verständnisprobleme im Gespräch angaben. Überwiegend als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ wurden folgende Themenbereiche eingeordnet: Befunde unklarer Zuordnung bzgl. der Pathogenität, Zufallsbefunde, Recht auf Nichtwissen, psychische Folgen, weiterer Verlauf, mögliche Therapien. 10 Eltern hatten entweder keinen oder einen Sonderschulabschluss, 20 Eltern waren im Deutschen Nichtmuttersprachler. Diskussion Eltern haben einen hohen Informationsbedarf, der fast alle Bereiche der Aufklärung umfasst. Kommunikative Hürden erschweren auch aus Elternsicht die Aufklärung. Hier besteht klares Verbesserungspotenzial. Internet-basierte Angebote in mehreren Sprachen und in leichter Sprache könnten eine Hilfestellung bieten.

2002 ◽  
Vol 10 (3) ◽  
pp. 97-107 ◽  
Author(s):  
Hendrik Berth ◽  
Andreas Dinkel ◽  
Friedrich Balck

Zusammenfassung. Prä- und postnatale genetische Diagnostik zur Ermittlung eines individuellen Erkrankungsrisikos gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dementsprechend sind genetische Untersuchungen des menschlichen Erbgutes sowie damit verbundene Anwendungsbereiche Gegenstand intensiver gesellschaftlicher Diskussion. Zu den möglichen Vor- und Nachteilen genetischer Untersuchungen wurde eine deutschlandrepräsentative Stichprobe (N = 2.076 Personen) befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass genetische Untersuchungen insgesamt auf eine große Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen, ca. zwei Drittel stehen ihnen befürwortend gegenüber. Jedoch werden auch mögliche Nachteile solcher diagnostischer Maßnahmen, wie z.B. Schwangerschaftsabbrüche oder Diskriminierung, benannt. Faktorenanalytisch ließen sich aus den 13 Items des eingesetzten Fragebogens drei Skalen (Positive Aspekte, Negative Aspekte, Befürchtungen) bilden. Eine Varianzanalyse erbrachte Unterschiede in den Skalen zwischen verschiedenen soziodemographischen Gruppen: Während Geschlecht und Lebensalter keinen bzw. wenig Einfluss haben (Ältere sehen mehr negative Aspekte als Jüngere), finden sich deutliche Unterschiede zwischen konfessionsgebundenen und konfessionslosen Personen. Die Befragten, die einer Religionsgemeinschaft angehören, sehen genetische Untersuchungen wesentlich kritischer. Hinsichtlich des Bildungsstandes ist festzustellen: Personen mit höherer Bildung sehen mehr positive und weniger negative Aspekte hinsichtlich genetischer Untersuchungen. Die Ergebnisse werden mit internationalen Studien verglichen. Abschließend werden Überlegungen zur Relevanz genetischer Untersuchungen und der sich abzeichnenden weiteren Entwicklungen für die Gesundheitspsychologie angestellt.


2020 ◽  
Vol 88 (09) ◽  
pp. 601-608
Author(s):  
Lars Tönges ◽  
Chi Wang Ip ◽  
Christian Dresel ◽  
Paul Lingor ◽  
Ilona Csoti ◽  
...  

ZusammenfassungSeit der Erstbeschreibung einer monogenetischen Ursache der Parkinson-Erkrankung sind mehr als 20 Jahre vergangen. Trotz der Fortschritte der molekulargenetischen Diagnostik wird diese immer noch sehr selten durchgeführt. Genetische Untersuchungen bei Patienten mit Parkinson-Syndromen werden allerdings zukünftig einen großen Stellenwert einnehmen. Dies ist nicht nur im Hinblick auf die Diagnosesicherung bei Parkinson-Patienten mit jungem Erkrankungsbeginn und / oder positiver Familienanamnese zu sehen, sondern auch im Rahmen der personalisierten Medizin mit neuen therapeutischen Möglichkeiten. Im Folgenden möchten wir einen Überblick über die Grundlagen der genetischen Diagnostik, die gesetzlichen Voraussetzungen, das Vorgehen für eine genetische Diagnostik und einen Ausblick in die Zukunft bei genetischen Parkinson-Erkrankungen geben.


2014 ◽  
Vol 156 (7) ◽  
pp. 327-335 ◽  
Author(s):  
C. Favrot ◽  
A. Rostaher ◽  
N. Fischer

2013 ◽  
Vol 70 (11) ◽  
pp. 621-631 ◽  
Author(s):  
Deborah Bartholdi ◽  
Peter Miny

Neue Schlüsseltechnologien führen gegenwärtig zu einem grundlegenden Wandel im klinischen Einsatz genetischer Labordiagnostik. In der Pränataldiagnostik hat die nicht invasive Abklärung von Aneuploidien im mütterliche Blut Fuß gefasst (NIPT) und dieser Ansatz wird in Zukunft auch bei anderen Chromosomenstörungen und Fragestellungen (monogene Erkrankungen) zum Einsatz kommen. Im postnatalen Bereich hat die Microarray Analyse (Array-CGH, molekulare Karyotypisierung) die konventionelle Chromosomenanalyse bei der Abklärung von Kindern mit Fehlbildungen, einer nicht-syndromalen geistigen Behinderung oder Autismusspektrumstörung abgelöst. Die neuen Hochdurchsatzsequenziermethoden erlauben die effiziente Abklärung von genetisch sehr heterogenen Krankheitsbildern wie z. B. Epilepsien, neuromuskuläre Erkrankungen und Schwerhörigkeit, durch Diagnostik-Panels, bei welchen Dutzende von Genen parallel analysiert werden können. Der Einsatz der Exom oder whole genome Sequenzierung als wissenschaftliche Methode zur Identifizierung von neuen Krankheitsgenen wird auch in der Diagnostik von schweren ungeklärten Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen, die genetisch extrem heterogen sind, zum Einsatz kommen. Die neuen Methoden werden die klinische Diagnostik in der Pädiatrie und anderen Bereichen der Medizin über kurz oder lang verändern, indem die genetische Labordiagnostik eher früher im Abklärungsprozess zur Anwendung kommen wird (genetics first).


2011 ◽  
Vol 68 (6) ◽  
pp. 297-301
Author(s):  
Jan Krützfeldt ◽  
Emanuel R. Christ

Die Hyperthyreose gehört neben dem Diabetes mellitus und den Störungen im Calciumstoffwechsel zu den häufigsten endokrinologischen Erkrankungen in der Praxis. Zur Diagnostik stehen eine ganze Reihe von laborchemischen und bildgebenden Verfahren zur Verfügung. Allerdings bereitet die Diagnose einer Hyperthyreose aufgrund des klinischen Kontext selten Schwierigkeiten und die verschiedenen Untersuchungen können oft sehr gezielt eingesetzt werden. Die häufigsten Ursachen einer Hyperthyreose sind der Morbus Basedow und die Autonomie eines oder mehrerer Schilddrüsenknoten. Der Morbus Basedow wird meist zwischen dem 35. und 60. Lebensjahr diagnostiziert und ca. 10 - 20 % der Patienten haben bereits initial Hinweise auf eine endokrine Orbithopathie. Für die Diagnose des Morbus Basedow ist die Messung der thyreoidstimulierenden Immunglobuline (TSI) besonders bei unklaren Fällen von Bedeutung. Bei der Schilddrüsenautonomie erfolgt die Diagnose immer über eine Schilddrüsenszintigraphie. Seltenere Ursachen einer Hyperthyreose sind die Thyreoiditiden, bei denen die Hyperthyreose immer transient ist (meist < 2 Monate), und die exogene Hyperthyreose (factitia). Anhand von drei Beispielen aus der Praxis diskutieren wir hier die Diagnose und Therapie der verschiedenen Hyperthyreose-Formen.


2015 ◽  
Vol 72 (6) ◽  
pp. 405-411 ◽  
Author(s):  
Katja Henny-Fullin ◽  
Daniel Buess ◽  
Anja Handschin ◽  
Jörg Leuppi ◽  
Thomas Dieterle

Entsprechend der europäischen und nordamerikanischen Richtlinien für die Diagnose und Therapie der arteriellen Hypertonie wird ein akuter, krisenhafter Anstieg des Blutdruckes auf > 180/120 mmHg als hypertensive Krise bezeichnet. Das Vorliegen von akuten hypertensiven Endorganschäden, wie z. B. Stroke, akuter Myokardinfarkt oder Herzinsuffizienz, welche patientenabhängig bereits bei niedrigeren Blutdruckwerten auftreten können, definiert eine „hypertensive Notfallsituation“. Zur Vermeidung des weiteren Fortschreitens der Endorganschädigung ist bei diesen Patienten eine sofortige Blutdrucksenkung (ca. 25 % vom Ausgangswert innerhalb von 1 – 2 Stunden) und in der Regel ein intensivmedizinisches Monitoring notwendig. Im Gegensatz dazu definiert ein krisenhafter Blutdruckanstieg ohne Nachweis akuter hypertensiver Endorganschäden eine „hypertensive Gefahrensituation“. Bei diesen Patienten sollte der Blutdruck innerhalb von 24 – 48 Stunden gesenkt werden um die Entstehung akuter Endorganschäden zu verhindern. In der Regel ist keine stationäre Aufnahme notwendig und es genügt eine orale antihypertensive Therapie, die ambulante Weiterbetreuung des Patienten muss jedoch gewährleistet sein.


Praxis ◽  
2011 ◽  
Vol 100 (2) ◽  
pp. 61-69
Author(s):  
Himmelberger ◽  
Schneider ◽  
Baumann

Author(s):  
Daniel Sagebiel

<span class="fett">Allgemeine Problemstellung:</span> Die Tuberkulose (TB) ist neben HIV/AIDS und Malaria die weltweit häufigste Infektionskrankheit. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit Mycobacterium tuberculosis (M. tuberculosis) infiziert, wobei 5–10 % der Betroffenen im Laufe ihres Lebens eine TB entwickeln. TB ist global weiter auf dem Vormarsch und bei HIV-Infizierten die Todesursache Nummer eins. Alle 15 Sekunden stirbt ein Mensch an TB und über 95 % der neuen TB-Fälle treten in Entwicklungsländern auf. </p><p> <span class="fett">Aktuelle Relevanz:</span> Bei abnehmender Erkrankungshäufigkeit in Deutschland und in vergleichbaren Industrieländern begegnet die Tuberkulose dem praktizierenden Mediziner hierzulande zunehmend seltener. So wurden im Jahr 2005 insgesamt nur noch 6.057 Tuberkuloseerkrankungen an das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet (Robert-Koch-Institut, 2006).1995 waren in Deutschland noch doppelt so viele (n= 12.198) und 1985 dreimal so viele (n=20.074) Menschen erkrankt (WHO, 2006a). </p><p> <span class="fett">Schlussfolgerungen:</span> Als Folge mangelnder Erfahrung wird im klinischen Alltag häufig erst spät an eine TB gedacht. Die dadurch verzögerte Diagnose und Therapie gefährdet den Therapieerfolg und kann somit zu einer Zunahme von Mortalität und Transmission führen.


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