Einfluss atmosphärischer Umgebungsbedingungen auf den Lebenszyklus konvektiver Zellen im Nowcasting
<p>Trotz signifikanter Verbesserungen in den vergangenen Jahren sind die Unsicherheiten insbesondere bei der Vorhersage von Gewittern und ihren Begleiterscheinungen wie Starkregen, Hagel oder Sturmb&#246;en selbst mit konvektionsaufl&#246;senden Wettervorhersagemodellen der Wetterdienste noch immer zu gro&#223;, um daraus verl&#228;ssliche und m&#246;glichst punktgenaue Warnungen abzuleiten. F&#252;r kurzfristige Pr&#228;ventionsma&#223;nahmen bis hin zur Evakuierung von Menschen beispielsweise bei Veranstaltungen im Freien sind pr&#228;zise Vorhersagen auf kurzen Zeitskalen jedoch unerl&#228;sslich. Mit den Verfahren der Echtzeit-Vorhersage (Nowcasting) lassen sich Gewitterereignisse und ihre wesentlichen Merkmale identifizieren und aus der Kenntnis der Historie f&#252;r Zeitskalen von einigen Minuten bis zu wenigen Stunden extrapolieren beziehungsweise vorhersagen. Die &#252;blicherweise kurze Lebensdauer konvektiver Ereignisse und deren schnelle Entwicklung w&#228;hrend instabiler Wetterlagen f&#252;hren jedoch oftmals zu einer erheblichen Diskrepanz zwischen den Nowcasting-Vorhersagen und den beobachteten Wetterbedingungen. Hier besteht folglich ein gro&#223;es Verbesserungspotential.</p> <p>Pr&#228;sentiert wird eine Analyse der Lebenszyklen von konvektiven Zellen in Deutschland, welche die vorherrschenden atmosph&#228;rischen Bedingungen miteinbezieht. Au&#223;erdem werden verschiedene statistische Modelle zur Absch&#228;tzung der Lebensdauer und Gr&#246;&#223;e konvektiver Zellen im Sinne des Nowcastings vorgestellt. Ein Vergleich dieser Modelle erm&#246;glicht es zu beurteilen, welche Methode am besten geeignet ist, Nowcasting-Verfahren f&#252;r Warnmanagementsysteme von Wetterdiensten zu verbessern.</p> <p>Unter Verwendung von Daten des radarbasierten Zellverfolgungsalgorithmus KONRAD des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurden objektbasierte Lebenszyklen von isolierter Konvektion (Einzel- und Superzellen) f&#252;r die Sommerhalbjahre 2011-2016 analysiert. Zus&#228;tzlich wurde eine Vielzahl konvektionsrelevanter atmosph&#228;rischer Variablen (z.B. Deep Layer Shear, CAPE, Lifted Index), die mittels hochaufl&#246;sender COSMO-EU Assimilationsanalysen berechnet wurden, mit den Lebenszyklen kombiniert. Auf der Grundlage dieses kombinierten Datensatzes werden statistische Zusammenh&#228;nge zwischen verschiedenen Zellattributen und atmosph&#228;rischen Variablen diskutiert. Wie die Analysen zeigen, sind insbesondere Ma&#223;e der vertikalen Windscherung aufgrund ihres Einflusses auf die Organisationsform der Zellen geeignet, zwischen solchen mit kurzer und langer Lebensdauer zu unterscheiden. Erh&#246;hte thermische Instabilit&#228;t ist mit einem schnelleren anf&#228;nglichen Zellwachstum verbunden, was eine gr&#246;&#223;ere horizontale Zellexpansion (Zellfl&#228;che) w&#228;hrend des Lebenszyklus und indirekt eine l&#228;ngere Lebensdauer beg&#252;nstigt.</p> <p>Drei verschiedene multivariate Methoden (logistische Regression, <em>Random Forest</em>, nichtlinearer polynomialer Ansatz) wurden als statistische Modelle zur Sch&#228;tzung der Lebensdauer und der maximalen Zellfl&#228;che konvektiver Zellen unter Verwendung eines Ensemble-Ansatzes untersucht ("&#220;berwachtes Maschinelles Lernen"). Die Vorhersageg&#252;te der Modelle wurde mittels probabilistischer Evaluation bewertet und die Bedeutung der anf&#228;nglichen Zellentwicklung und der atmosph&#228;rischen Variablen f&#252;r den weiteren Verlauf des Lebenszyklus quantifiziert. Es werden Potentiale und Grenzen der drei Methoden aufgezeigt, die verdeutlichen, dass die Wahl einer geeigneten Methode von dem genauen Nowcasting-Problem bzw. der Anforderung abh&#228;ngt. Die Untersuchungen legen nahe, dass die maximale Zellfl&#228;che konvektiver Zellen besser abgesch&#228;tzt werden kann als ihre Lebensdauer. Atmosph&#228;rische Variablen, die den dynamischen und thermodynamischen Zustand der Atmosph&#228;re charakterisieren, sind zu Beginn der Zellentwicklung besonders wichtig f&#252;r die Absch&#228;tzung der zuk&#252;nftigen Entwicklung der Zellattribute, w&#228;hrend mit zunehmendem Zellalter die Zellhistorie immer relevanter wird.</p>