Theoretischer Hintergrund: Die Krankheitsbewältigung spielt eine wichtige Rolle für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS). Fragestellung: Die vorliegende Studie untersuchte Angst, Depression und individuelle Lebensqualität sowie assoziierte Faktoren bei ALS. Methode: Die Stichprobe umfasste 39 ALS-Patienten (20 Frauen, Durchschnittsalter 58 Jahre, Durchschnitts-Erkrankungsdauer 2.4 Jahre). Eingesetzt wurden die Sektionen A, D, F und teilweise J des SKID-I, das ALS-Depressionsinventar (ADI-12), der Schedule for the Evaluation of Individual Quality of Life–Direct Weigthening (SEIQoL-DW) und die Liste zur Erfassung von Verstärkern (LEV). Ergebnisse: Auftretenshäufigkeiten für eine Major Depression Episode: 10 %, für depressive Störungen insgesamt: 23 %, für Angststörungen: 21 %. Die Erstmanifestation einer Major Depression lag bei 4 von 9 Patienten vor der ALS-Diagnose. Nur die Hälfte der Patienten mit der Depressions-Lebenszeitdiagnose erlebte nach der ALS-Diagnose eine weitere Episode. Depressionen waren assoziiert mit weiblichem Geschlecht, einem geringeren Bildungsniveau, geringerer Lebensqualität und einer geringeren Anzahl positiv verstärkender Aktivitäten. Die individuelle Lebensqualität (iLQ) lag bei 72 von 100. Depressive Patienten zeigten dabei eine stärkere Orientierung auf die Gesundheit als nicht depressive Patienten. Schlussfolgerung: Trotz hoher individueller Lebensqualität traten Depressionen und Angststörungen gehäuft auf. Psychotherapeutische Unterstützung ist angezeigt, vor allem im Sinne einer Einstellungs- und Werteveränderung, beim Aufbau oder Erhalt von Verstärkern sowie als kognitive Therapie bei erlebtem Kontrollverlust.