Jugendliche in stationärer psychiatrischer Behandlung: Parasuizidale Symptome und psychische Störungen

2004 ◽  
Vol 13 (1) ◽  
pp. 26-37 ◽  
Author(s):  
Hellmuth Braun-Scharm ◽  
Kirsten Goth ◽  
Franz Josef Freisleder ◽  
Angelika Althoff

Zusammenfassung. Psychische Störungen zählen zu den wichtigsten Ursachen für Parasuizide und Suizide. Dies gilt für das Erwachsenenalter und mit gewissen Abstrichen auch für das Jugendalter. Die häufigsten psychischen Störungen im Zusammenhang mit Suizidalität im Jugendalter sind akute Belastungsreaktionen, affektive Störungen, Substanzmissbrauch sowie Borderline-Syndrome und andere beginnende Persönlichkeitsstörungen. Essstörungen und Schizophrenien sind dagegen im Jugendalter noch nicht mit erhöhten Parasuiziden verknüpft. Anhand einer Gesamtstichprobe von 537 konsekutiv aufgenommenen und nach ICD-10 diagnostizierten stationär behandelten jugendpsychiatrischen Patienten konnten 163 mit parasuizidalen Symptomen bei Aufnahme ermittelt werden, die etwa zur Hälfte aus parasuizidalen Gedanken und parasuizidalen Handlungen bestanden. Der Anteil parasuizidaler Jugendlicher auf der Aufnahmestation lag bei etwa 66 %, auf der Therapiestation (Rottmannshöhe) bei etwa 30 %. Dies spricht für die Relevanz von Selektionsfaktoren bei Häufigkeits- und vermutlich auch Schweregradangaben von Suizidalität im stationären jugendpsychiatrischen Bereich.

2008 ◽  
Vol 27 (03) ◽  
pp. 127-132
Author(s):  
R. Winkler ◽  
T. Schläpfer

ZusammenfassungDie nach ICD-10 theoretisch klare Abgrenzung einzelner Störungskategorien affektiver Erkrankungen entspricht in neurobiologischer Hinsicht nicht der Realität. Eine dimensionale Beschreibung der mit der Störung einhergehenden Dysregulationen des Verhaltens, der Kognition und der Emotionen, oder aber eine Beschreibung der Beeinträchtigungen auf biologischer Ebene kann zusätzlich wichtige Information liefern. Aus biologischer Sicht sind psychische Störungen charakterisiert durch Beeinträchtigungen auf der Ebene der Neurotransmission, der Konnektivität oder der Proteinsynthese.Heute wird klar eine multifaktorielle Ätiopathogenese affektiver Erkrankungen angenommen, bei der sowohl genetische, wie auch biologische und psychosoziale Faktoren interagieren und je nach individueller Disposition zur Ausprägung von Krankheitssymptomen führen. Die relativ uniforme Prävalenzrate in unterschiedlichen Kulturkreisen, das familiär gehäufte Auftreten und das relativ niedrige Erstmanifestationsalter bipolarer Störungen im Vergleich zur unipolaren Depression weisen auf eine starke genetische Disposition und relativ geringere Modulierbarkeit durch äußere Stressoren hin. Bipolare Störungen gehen wie andere affektive Erkrankungen mit strukturellen Veränderungen und funktionellen Störungen des Gehirns einher. Bei bipolaren affektiven Störungen werden Auffälligkeiten in der gesamten Kaskade der neuralen Signaltransmission – von Neurotransmittern und Neuromodulatoren über rezeptorgekoppelte intrazelluläre Signaltransduktion bis hin zur Genexpression – beobachtet.Lang anhaltende unbehandelte affektive Störungen mit strukturellen Veränderungen und funktionellen Störungen des Gehirns einhergehen. Das Ziel einer Behandlung besteht darin, diese Veränderungen rückgängig zu machen. Dieser Prozess kann langwierig sein und einige Zeit dauern, weshalb eine Langzeitbehandlung unumgänglich ist.


Author(s):  
Dirk K. Wolter

Zusammenfassung. Zielsetzung: Übersicht über Suchtpotenzial und andere Risiken von Opioidanalgetika im höheren Lebensalter. Methodik: Narrativ review. Literaturrecherche in PubMed (Suchbegriffe: opioid analgesics UND abuse; opioid analgesics UND dependence; opioid analgesics UND addiction; opioid analgesics UND adverse effects; jeweils UND elderly) sowie aktuellen einschlägigen Standardwerken; Auswahl nach altersmedizinischer Relevanz und Aktualität. Ergebnisse: Die Verordnung von Opioidanalgetika (OA) hat in den letzten 25 Jahren massiv zugenommen, die weitaus meisten Verordnungen entfallen auf alte Menschen und Menschen mit chronischen Nicht-Tumorschmerzen (CNTS). Die diagnostischen Kriterien für die Opiatabhängigkeit in ICD-10 und DSM-5 sind für die OA-Behandlung von CNTS ungeeignet. Bei langfristiger OA-Behandlung bei CNTS kann eine spezifische Form von Abhängigkeit entstehen, die nicht mit der illegalen Opiat-(Heroin-)Sucht gleichzusetzen ist. Vorbestehende Suchterkrankungen und andere psychische Störungen sind die wesentlichsten Risikofaktoren. Weitere Nebenwirkungen sind zu beachten. Schmerztherapie bei Suchtkranken stellt eine besondere Herausforderung dar. Schlussfolgerungen: Die Anwendung von OA bei CNTS verlangt eine sorgfältige Indikationsstellung. Die besondere Form der Abhängigkeit von OA ist nicht ausreichend erforscht und wird zu wenig beachtet.


2011 ◽  
Vol 30 (11) ◽  
pp. 902-907
Author(s):  
P. Schönknecht ◽  
A.-K. Allgaier ◽  
V. Henkel ◽  
U. Hegerl ◽  
R. Mergl
Keyword(s):  
Icd 10 ◽  

ZusammenfassungPatienten mit depressiven Syndromen bei starker Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus, die aber die nach ICD-10 oder DSM-IV-TR erforderlichen Kriterien einer depressiven Störung nur teilweise erfüllen, sind in nervenärztlichen Praxen häufig anzutreffen. Im Folgenden werden wichtige therapeutische Ansätze bei derartigen minoren Depressionen präsentiert und deren klinische Signifikanz diskutiert. Da die Evidenzbasis für eine spezifische Pharmakooder Psychotherapie unzureichend ist, kommen aktives Monitoring oder unspezifische Beratungsund Betreuungsangebote in Betracht. Spezifische Behandlungsangebote (Antidepressiva, Psychotherapie) müssen in Erwägung gezogen werden bei Suizidalität, Suizidversuchen in der Anamnese, hohem Leidensdruck, früheren depressiven Episoden, Residualsymptomatik nach majorer Depression oder positiver Familienanamnese für affektive Störungen.


2004 ◽  
Vol 33 (1) ◽  
pp. 33-41 ◽  
Author(s):  
Harald Baumeister ◽  
Michael Höfler ◽  
Frank Jacobi ◽  
Hans-Ulrich Wittchen ◽  
Jürgen Bengel ◽  
...  

Zusammenfassung. Hintergrund: Ein signifikanter Anteil der Patienten mit einer chronischen körperlichen Erkrankung weist eine komorbide psychische Störung auf. Ob und in welchem Ausmaß sich die Prävalenzraten psychischer Störungen bei Patienten mit einer chronischen Erkrankung von denen der Allgemeinbevölkerung unterscheiden, ist bislang noch kaum untersucht. Fragestellung: Die vorliegende epidemiologische Studie untersucht geschlechts- und altersadjustierte 4-Wochen, 12-Monats- und Lebenszeitprävalenzen psychischer Störungen bei Rehabilitationspatienten mit muskuloskelettalen und kardiovaskulären Erkrankungen im Vergleich zu Prävalenzraten der Allgemeinbevölkerung. Methode: Die Daten der drei Stichproben (N = 4192) basieren jeweils auf einem zweistufigen, epidemiologischen Untersuchungsansatz mit einer schriftlichen Befragung der Patienten bzw. Probanden zu ihrem psychischen Befinden (GHQ-12; M-CIDI-S) und einem anschließenden Interview (M-CIDI) bei einem randomisiert ausgewählten Teil der Gesamtstichprobe. Ergebnisse: Mit adjustierten Lebenszeitprävalenzen von 59.3% (OR: 1.6) und 56.2% (OR: 1.4) weisen die Patienten mit einer muskuloskelettalen und kardiovaskulären Erkrankung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (47.9%) eine deutlich erhöhte Prävalenz psychischer Störungen auf. Am häufigsten sind affektive Störungen (22.5% bis 34.9%) und Angststörungen (18.4% bis 33.8%). Schlussfolgerung: Der im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutliche Zusammenhang zwischen chronischen körperlichen Erkrankungen und psychischen Störungen verdeutlicht die Bedeutsamkeit einer verstärkten Diagnostik und Behandlung komorbider psychischer Störungen bei chronisch erkrankten Patienten.


2012 ◽  
pp. 153-195
Author(s):  
Eberhard A. Deisenhammer ◽  
Armand Hausmann
Keyword(s):  

Author(s):  
Cornelia Bessler ◽  
Dorothea Stiefel ◽  
Steffen Barra ◽  
Belinda Plattner ◽  
Marcel Aebi

Zusammenfassung. Fragestellung: Die Prävalenz psychischer Störungen unter inhaftierten Jugendlichen ist hoch. Offen ist die Frage, ob damit eine erhöhte kriminelle Rückfälligkeit einhergeht. Methodik: Zwischen dem 01.08.2010 und 31.10.2012 wurden im kantonalen Jugendgefängnis Zürich alle inhaftierten männlichen Jugendlichen bei Eintritt psychiatrisch untersucht (N = 122). Die psychischen Störungen wurden anhand eines standardisierten Interviews erfasst. Nach der Haftentlassung wurden die Probanden im Kantonalen Rechtsinformationssystem betreffend Rückfälligkeit während eines Jahres nachkontrolliert. Ergebnisse: 90.2 % der Insassen litten unter mindestens einer psychiatrischen Störung. Über 70 % der Jugendlichen waren zum Zeitpunkt ihrer Inhaftierung von mehreren psychiatrischen Erkrankungen betroffen. Es konnten vier voneinander unabhängige Störungskategorien unterschieden werden: affektive Störungen, Angststörungen, Verhaltensstörungen und Abhängigkeitserkrankungen. Betreffend Rückfälligkeit fand sich, dass Jugendliche mit Verhaltensstörungen und/oder einer Abhängigkeitserkrankung häufiger mit einer Gewaltstraftat rückfällig wurden als aus dem Gefängnis entlassene Jugendliche ohne psychische Erkrankungen. Zudem zeigte sich, dass je jünger die inhaftierten Jugendlichen waren, desto kürzer war die Zeit nach ihrer Entlassung, bis sie eine Gewaltstraftat verübten. Schlussfolgerungen: Aufgrund der hohen Prävalenz von psychischen Störungen unter inhaftierten Jugendlichen ist es notwendig, dass diese Minderjährigen auch jugendpsychiatrisch-psychologisch untersucht und adäquat behandelt werden. Neben der psychiatrischen Versorgung der minderjährigen Gefängnisinsassen kann so auch den Anforderungen eines effektiven Opferschutzes und dem Sicherheitsbedürfnis unserer Gesellschaft entsprochen werden.


2013 ◽  
Vol 61 (4) ◽  
pp. 273-277 ◽  
Author(s):  
Jörn Ungerer ◽  
Anna Weeke ◽  
Peter Zimmermann ◽  
Franz Petermann ◽  
Jens T. Kowalski

Psychische Belastungen können während und nach Auslandseinsätzen zu akuten psychiatrischen Störungsbildern bei Soldaten führen. In der vorliegenden Studie werden die akuten einsatzbedingten psychischen Störungen deutscher Soldaten in Afghanistan in den Jahren 2009 (n = 40) und 2011/2012 (n = 41) miteinander verglichen. Während 2009 signifikant häufiger die akute Belastungsreaktion (ICD-10: F 43.0) diagnostiziert wurde, standen bei den untersuchten Patienten im Vergleichszeitraum 2011/2012 die Anpassungsstörungen (ICD-10: F 43.2) im Vordergrund. Diese Verschiebung im Diagnosespektrum lässt sich hypothetisch auf Unterschiede der einwirkenden einsatz-assoziierten Stressoren zurückführen. Während 2009 akute traumatische Erlebnisse den Einsatz bestimmten, standen in 2011/2012 eher alltägliche Belastungen wie Trennungsreaktionen und Konflikte mit Vorgesetzten und Kameraden im Vordergrund. Die Ergebnisse können helfen, die Anbieter psychiatrisch-psychotherapeutischer Leistungen besser auf die Bedingungen vorzubereiten und so die Akutversorgung in Einsatzgebieten zu optimieren.


2002 ◽  
Vol 11 (2) ◽  
pp. 73-81 ◽  
Author(s):  
Christopher Adam ◽  
Manfred Döpfner ◽  
Gerd Lehmkuhl

Zusammenfassung. Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine häufige Diagnose im Kindesalter. Die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV erlauben die Diagnose auch im Erwachsenenalter, jedoch unterscheidet sich die Symptomatik von der des Kindesalters. Bei Jugendlichen und Erwachsenen ist mit einer heterogeneren Symptomatik zu rechnen. In großen Studien konnte gezeigt werden, daß die Symptome bei bis zu 30 % der Betroffenen bis ins frühe Erwachsenenalter persistieren können, allerdings leidet ein höherer Prozentsatz weiterhin unter Teilsymptomen mit klinischer Wertigkeit. Insbesondere komorbid auftretende Störungen des Sozialverhaltens, affektive Störungen, psychosoziale Belastungsfaktoren und ADHS in der Familie sind Risikofaktoren für eine Persistenz. Die heterogene Symptomatik im Jugend- und Erwachsenenalter sowie die komorbiden Störungen erfordern ein individuelles therapeutisches Vorgehen mit entwicklungsspezifischen Elementen unter Umständen über mehrere Lebensphasen hinweg.


2020 ◽  
Vol 29 (4) ◽  
pp. 173-177
Author(s):  
Alexander von Gontard ◽  
Margarete Bolten ◽  
Monika Equit ◽  
Tina In-Albon

Zusammenfassung. Psychische Störungen sind bei Säuglingen, Klein- und Vorschulkindern mit einer Prävalenz von 10 – 15 % häufig. Sie sind vielfältig und umfassen sowohl externalisierende Störungen (wie ADHS und Störung des Sozialverhaltens) als auch internalisierende (wie Depression und Angststörungen). Sie weisen hohe Komorbiditätsraten auf und können langfristig persistieren und chronifizieren. Darüber hinaus können viele seltene Störungen junge Kinder betreffen und beeinträchtigen. Manche Störungen sind sogar spezifisch für das junge Alter. Ferner spielen die Beziehung zur Bezugsperson – und die Identifizierung von Beziehungsstörungen – eine besondere Rolle. Da die diagnostischen Kriterien der bisherigen Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-5 für junge Kinder nicht sensibel genug sind, wurde das Klassifikationssystem DC: 0 – 5 für das Alter von 0 bis 5 Jahren entwickelt. Das Ziel dieses Sonderheftes ist es, einen Überblick über die DC: 0 – 5 zu vermitteln. In der ersten Übersichtsarbeit wird der diagnostische Prozess aufgezeigt. Die zweite Übersichtsarbeit widmet sich dem Aufbau und den Neuerungen der DC: 0 – 5. Eine dritte Übersichtsarbeit untersucht die Diagnosen nach ICD-10 und DC: 0 – 5 im Vergleich in einem naturalistischen Setting. Eine letzte Originalarbeit untersucht die psychometrischen Eigenschaften des strukturierten Interviews SIVA 0 – 6, das auch für DC: 0 – 5 kodiert. Zusammengefasst ist die DC: 0 – 5 das zurzeit genaueste Klassifikationssystem zur Diagnose psychischer Störungen bei jungen Kindern in der Praxis und in der Forschung.


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