Screening exekutiver Funktionen bei Parkinson-Patienten durch den neuen Schnelltest PAL-5

2017 ◽  
Vol 86 (04) ◽  
pp. 219-225
Author(s):  
Jannik Florian Scheffels ◽  
Jasmin Elaine Engels ◽  
Elke Kalbe ◽  
Josef Kessler

ZusammenfassungMorbus Parkinson ist nach der Demenz vom Alzheimer-Typ die zweithäufigste chronische neurodegenerative Erkrankung weltweit. Neben den charakteristischen motorischen Symptomen der Krankheit, insbesondere der Bradykinese, treten häufig bereits vor Beginn der Erkrankung leichte kognitive Beeinträchtigungen (PD-MCI) auf, die vor allem die Exekutivfunktionen betreffen. Um solche kognitiven Beeinträchtigungen frühzeitig zu erkennen, ist initial die Durchführung eines Screenings wünschenswert. Der neu entwickelte kognitive Schnelltest Paarassoziationslernen-5 („PAL-5“) wurde konzipiert, um die Leitsymptomatik kognitiver Störungen – nämlich exekutive Beeinträchtigungen – bei Parkinson-Patienten zu erkennen. Dieser besteht aus einem unmittelbaren Abruf von fünf inkompatiblen und neu zusammengefügten Wortpaaren (Hauptstädte vs. Länder), einer intermediären formallexikalischen Wortflüssigkeitsaufgabe („FAS-Test“) und einem anschließenden verzögerten Abruf. Damit werden die drei Kernprozesse exekutiver Funktionen getestet: kognitive Flexibilität, Inhibition und Gedächtnis. An der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsklinik Köln wurde der PAL-5 in den Jahren von 2014 bis 2016 insgesamt an 154 Parkinson-Patienten, 115 kognitiv Beeinträchtigten ohne Parkinson-Diagnose und 115 Kontrollprobanden durchgeführt (N = 384). Für eine Retest-Reliabilitätsbestimmung wurden außerdem weitere 42 Kontrollprobanden herangezogen, die im Zeitraum von Februar bis Juli 2017, in einem Abstand von jeweils vier Monaten zwischen der ersten und zweiten Testung, untersucht wurden. Es stellten sich hochsignifikante Gruppenunterschiede in den Subtests des PAL-5 heraus. Parkinson-Patienten sowie kognitiv Beeinträchtigte schnitten signifikant schlechter ab als die Kontrollprobanden. Zwischen den Parkinson-Patienten und kognitiv Beeinträchtigten gab es keine signifikanten Gruppenunterschiede in den Testscores. Außerdem zeigten sich mittelhohe bis hohe Korrelationen zwischen PAL-5 und MMST sowie PAL-5 und PANDA (jeweils p < 0,001). In der ROC-Analyse für den PAL-5-Gesamtwert bei Parkinson-Patienten mit einem Score von weniger als 11 Punkten zeigte sich eine AUC von 0,91. Ein Summenscore von ≤ 10 scheint daher praktikabel zu sein, um kognitive Defizite – vor allem exekutive Funktionsstörungen und Gedächtnisbeeinträchtigungen – bei Parkinsonerkrankten zu erkennen. Es hat sich gezeigt, dass die Kombination von kognitiver Flexibilität, Inhibition und Gedächtnis eine kurze sinnvolle Zusammenstellung für ein Screeningverfahren von Parkinson-Patienten ist.

2005 ◽  
Vol 24 (02) ◽  
pp. 129-136 ◽  
Author(s):  
U. Rüb ◽  
K. Del Tredici ◽  
H. Braak

ZusammenfassungDer dem Morbus Parkinson unterliegende pathologische Prozess entwickelt sich über viele Jahre. Erste Veränderungen entstehen noch vor dem Erscheinen klinischer Symptome. Der Prozess befällt in vorbestimmter Weise übergeordnete Zentren des olfaktorischen, limbischen, viszeromotorischen und somatomotorischen Systems. Die zeitlich gestaffelte und räumlich geordnete Ausbreitung der Veränderungen über das zentrale Nervensystem ermöglicht eine Zuordnung individueller Autopsiefälle zu sechs neuropathologischen Stadien. Kognitive Beeinträchtigungen variablen Schweregrades ergänzen die klassische Symptomentrias des Morbus Parkinson. Diese Beeinträchtigungen kognitiver Fähigkeiten, ermittelt mit Hilfe des MMSE-Testes, korrelieren mit den Stadien der neurodegenerativen Veränderungen. Der Abbau kognitiver Fähigkeiten gehört zu den Kernsymptomen der Parkinsonschen Krankheit wie Bradykinesie, Rigor und Tremor und kann gelegentlich das klinische Bild beherrschen. Das pathomorphologische Korrelat der dementiven Veränderungen wird diskutiert.


2014 ◽  
Vol 33 (07/08) ◽  
pp. 505-510 ◽  
Author(s):  
I.-K. Penner

ZusammenfassungKognitive Beeinträchtigungen treten bei etwa jedem zweiten MS-Betroffenen unabhängig von der Verlaufsform auf. Sie zeigen weder Linearität zum körperlichen Beeinträchtigungsgrad gemessen mittels Expanded Disability Status Scale (EDSS), noch gibt es eine direkte Relation zur Erkrankungsdauer. Kognitive Defizite können bereits früh im Krankheitsgeschehen, beispielsweise bei einem Clinically Isolated Syndrome (CIS) oder Radiologically Isolated Syndrome (RIS) auftreten und werden auch bei Patienten mit einem benignen Verlauf beobachtet. Obgleich die Progression als eher moderat betrachtet werden kann, wirken sich kognitive Einbußen in beinahe jedem Stadium stark negativ auf die Lebensqualität und die Therapieadhärenz aus. Diagnostisch sind wir in der Lage mittels sensitiver Screeninginstrumente diejenigen kognitiven Teilfunktionen zu erfassen, die bei MS-Patienten am häufigsten beeinträchtigt sind. Wie so häufig in der Medizin hinkt jedoch die Therapie dem Fortschritt bei der Diagnostik hinterher, sodass wir keine zuverlässige evidenzbasierte symptomatische Therapie zur Behandlung kognitiver Defizite bei MS zur Verfügung haben. Derzeit sind nonpharmakologische Ansätze, mit dem Ziel die kognitive Reserve des Gehirns zu stärken, Erfolg versprechend. Methodisch saubere Wirksamkeitsstudien stehen allerdings noch aus.


2020 ◽  
Author(s):  
Felix Kleefeld ◽  
◽  
Gabriele Arendt ◽  
Eva Neuen-Jacob ◽  
Matthias Maschke ◽  
...  

Zusammenfassung Die chronische Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion ist eine hochprävalente Systemerkrankung, die verschiedene neurologische Komplikationen verursachen kann. Es lassen sich HCV-assoziierte Symptome im zentralen und peripheren Nervensystem sowie der Muskulatur unterscheiden. Wichtige Pathomechanismen sind die HCV-assoziierte Autoimmunität (z. B. gemischte Kryoglobulinämie mit Polyneuropathie) und direkte Neurotoxizität (z. B. bei HCV-assoziierten kognitiven Defiziten). Die häufigsten neurologischen Komplikationen sind distal-symmetrische Polyneuropathien, Small-fiber-Neuropathien und kognitive Defizite. Die HCV-Infektion stellt außerdem einen Risikofaktor für ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle sowie den Morbus Parkinson dar. Die frühe Identifikation und antivirale Behandlung HCV-positiver Patienten steht im Zentrum der Behandlung. Durch neue antivirale Therapien können >90 % der Patienten dauerhaft von der HCV-Infektion geheilt werden.


2017 ◽  
Vol 68 (06) ◽  
pp. 250-257 ◽  
Author(s):  
Christoph Braukhaus ◽  
Uwe Jahnke ◽  
Tanja Zimmermann

ZusammenfassungDie neurodegenerative Erkrankung des Idiopathischen Parkinson-Syndroms geht mit einer hohen Belastung für die Betroffenen und einem deutlichen Verlust des partnerschaftlichen Funktionsniveaus einher. Angehörige von Patienten (N=110) wurden in der vorliegenden Studie mittels Fragebogen zur eigenen Depressivität (PHQ-9), zur eigenen Progredienzangst (PA-F-P-KF), zur Partnerschaftsqualität (PFB) sowie zu den wahrgenommenen Alltags- und nonverbalen Defiziten der Patienten befragt. 26% der Frauen und 11% der Männer zeigten Depressivitätswerte über dem Cut-off, 51% der Frauen und 41% der Männer dysfunktionale Progredienzangst und ca. 60% klassifizierten ihre Partnerschaft als unglücklich. Die Schwere der Symptomatik und ihre Belastung weisen eine deutliche Geschlechtsspezifität auf: Männliche Parkinson-Patienten werden von ihren Partnerinnen als von einer stärkeren Symptomatik betroffen eingeschätzt, Frauen weisen als Angehörige von Parkinson-Patienten mehr psychische Belastung auf. Hier zeigt sich ein starker korrelativer Zusammenhang zwischen Alltagsdefiziten und Depressivität (r=0,40, p<0,05), Progredienzangst (r=0,40, p<0,05) und Partnerschaftsqualität (r=−0,52, p<0,05) sowie nonverbalen Defiziten und Depressivität (r=0,37, p<0,05), Progredienzangst (r=0,27, p<0,05) und Partnerschaftsqualität (r=−0,49, p<0,05). Mittels Regressionsanalysen zur Vorhersage von Partnerschaftsqualität konnte ein Regressionsmodell mit 46% Aufklärung entwickelt werden. Kognitive Einschränkungen im Alltag, mangelnder Blickkontakt, körperliche Beweglichkeit und Schmerzen stellten sich als stärkste Prädiktorvariablen heraus. Der starke Zusammenhang zwischen Partnerschaftsqualität und Einschränkungen des Morbus Parkinson-Betroffenen wird auf die Frage hin diskutiert, ob nicht gezielte paartherapeutische Interventionen hilfreich für den möglichst langen Erhalt der Partnerschaftsqualität sein können.


e-Neuroforum ◽  
2018 ◽  
Vol 24 (1) ◽  
pp. 1-14
Author(s):  
Rosanna Parlato ◽  
Birgit Liss

ZusammenfassungMorbus Parkinson (MP) ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Die klassische MP-Motorsymptomatik wird durch einen progressiven Dopaminverlust im Striatum verursacht, bzw. durch den fortschreitenden Verlust von Dopamin-ausschüttenden (DA) Neuronen im Mittelhirn (insbesondere in der Substantia nigra, SN, auch schwarze Substanz genannt). Da die Ursache für den MP immer noch unklar ist, stehen derzeit keine kurativen Therapien zur Verfügung. Es konnten aber eine Reihe von genetischen und umweltbedingten Triggerfaktoren identifiziert werden, die auf einen gemeinsamen, komplexen Pathomechanismus hinweisen, wobei metabolische Dysfunktion und geänderte Genexpression von besonderer Bedeutung sind. In diesem Artikel fassen wir diesen sich abzeichnenden Pathomechanismus zusammen, der die Grundlage für neuartige Therapiestrategien liefern könnte. Wir fokussieren uns auf geänderte Kalziumhomöostase sowie nukleoläre Funktion. Wir diskutieren, wie Tiermodelle mit beeinträchtigter Synthese von ribosomaler RNS im Nukleolus zur Identifizierung neuer zellspezifischer Vulnerabilitätsfaktoren beitragen können, wie komplexe homöostatische Adaptationsmechanismen der SN DA Neuronen eine flexible Anpassung ihrer funktionellen Aktivität an die metabolischen Bedürfnisse ermöglichen können, und wie genau diese Mechanismen SN DA Neurone besonders vulnerabel gegenüber degenerativen Triggerfaktoren und Zelltod im MP machen.


2017 ◽  
Vol 25 (2) ◽  
pp. 169-172
Author(s):  
Marc Schipper ◽  
Viviane Scherenberg

Zusammenfassung Auch gesundes Altern geht nicht ohne kognitive Defizite einher. Bei Betrachtung des aktuellen Erkenntnisstands zu kognitiven Veränderungen im gesunden Alterungsprozess stellt sich eine dysfunktionale kognitive Kontrolle als ein Kerndefizit heraus. Moderne Präventionsansätze verfolgen das Ziel, den im gesunden Alterungsprozess vermuteten Veränderungen der kognitiven Kontrolle entgegenzuwirken.


2006 ◽  
Vol 19 (4) ◽  
pp. 207-220 ◽  
Author(s):  
Dirk K. Wolter

Zusammenfassung: Alkoholmissbrauch kann in vielfältiger Weise zu kognitiven Defiziten beitragen, die von diskreten Beeinträchtigungen bis zu schweren demenziellen Syndromen reichen und zumindest partiell reversibel aber auch dauerhaft sein können. Dauerhafte kognitive Defizite allein aufgrund einer unmittelbaren neurotoxischen Wirkung des Žthanol sind sehr selten; sie sind meist mit neurologischen oder internistischen Alkoholfolgekrankheiten assoziiert bzw. der Alkohol wirkt als Kofaktor. Die neurobiologischen Korrelate sind nicht sehr spezifisch. Verschiedene pathogenetische Mechanismen werden diskutiert, die aus der Perspektive der Neurogenese besser verständlich werden. Eine besondere Rolle spielt das Korsakoff-Syndrom, wobei überkommene Vorstellungen zum Wernicke-Korsakoff-Komplex wahrscheinlich revidiert werden müssen. Nur Alkoholmissbrauch erhöht das Demenzrisiko, während moderater Alkoholkonsum mit einem gegenüber Abstinenz verminderten Risiko einhergeht. Der Terminus “Alkohol-assoziierte kognitive Beeinträchtigungen” (“alcohol-related cognitive impairment”) erscheint als übergeordnete Bezeichnung zweckmäßig. Gesicherte Erkenntnisse über symptomatische Therapiemöglichkeiten liegen nicht vor.


2012 ◽  
Vol 31 (03) ◽  
pp. 171-174 ◽  
Author(s):  
A. Schley ◽  
R. Benecke ◽  
J. Rösche

ZusammenfassungGegenstand und Ziel: In dieser Studie soll die Häufigkeit kognitiver Defizite in einer epileptologischen Spezialambulanz mit einem Screeningverfahren erfasst und ihre klinische Bedeutung untersucht werden. Patienten und Methoden: Retrospektiv wurden 38 Patienten erfasst, bei welchen ein kognitives Screening mit dem EpiTrack erfolgte. Zusammenhänge zwischen kognitiver Leistung, Menge der eingenommenen Antikonvulsiva und Krankheitsdauer werden mit Spearman Korrelationskoeffizienten untersucht, Assoziationen zwischen pathologischen Ergebnissen, der Einnahme einer Polytherapie und der Desintegration am ersten Arbeitsmarkt mit χ2-Tests. Ergebnisse: 18% der Patienten hatten ein pathologisches Ergebnis im EpiTrack. Der alters-korrigierte Score war mit der Menge der eingenommenen Antikonvulsiva signifikant negativ korreliert. Die Einnahme von mehr als einem Antikonvulsivum war signifikant mit einem pathologischen Ergebnis assoziiert. Es fand sich eine signifikante Assoziation zwischen pathologischen Ergebnissen und Des-integration am ersten Arbeitsmarkt bei unter 65-Jährigen. Schlussfolgerung: Mit dem eingesetzten Screeningverfahren können sozial relevante kognitive Defizite erfasst werden.


1998 ◽  
Vol 37 (07) ◽  
pp. 245-250 ◽  
Author(s):  
A. Klimke ◽  
R. Larisch

ZusammenfassungDie vorliegende Arbeit gibt eine Übersicht über Befunde und klinische Indikationen zur Dopamin-D2-Rezeptorszintigraphie. Methoden zur Untersuchung der D2-Rezeptoren sind die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit 11C- oder 18F-markierten Butyrophenonen oder Benza- miden oder die Einzelphotonen-Emissions-Tomographie (SPECT) mit 123l-lodobenzamid (IBZM). Die wichtigste neurologische Indikation ist die Differentialdiagnose des Parkinsonismus: In frühen Stadien des Morbus Parkinson findet sich eine Erhöhung der Striatalen D2-Rezeptorbin- dung (D2-RB) im Vergleich zu gesunden Normalpersonen. Patienten mit einem Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom oder einer Multisystem- atrophie hingegen, die therapeutisch schwierig einzustellen sind, zeigen eine Verringerung der striatalen D2-RB. Das ebenfalls abzugrenzende medikamentös induzierte Parkinson-Syndrom beruht auf einer Blockade der D2-Rezeptoren, die durch die Dopamin-D2-Rezeptorszintigraphie nachgewiesen werden kann. Weitere mögliche Indikationen bestehen in der Psychiatrie: Bei schizophrenen Patienten, die mit Neuroleptika behandelt werden, ist die Bestimmung der »Receptor Occupancy« sinnvoll, um die optimale Medikamentendosis zu bestimmen. Außerdem ermöglicht die D2-Rezeptorszintigraphie bei diesen Patienten die Differentialdiagnose zwischen dem malignen Neuroleptikasyndrom und der febrilen Katatonie. Bei Suchterkrankungen könnte die Methode möglicherweise zur Prädiktion und Verlaufskontrolle neurochemischer Veränderungen im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung genutzt werden. Bei der Depression schließlich kann die Bestimmung der D2-RB die Wahl der Therapie für den Kliniker vereinfachen: Neue klinische Befunde deuten an, daß Patienten mit niedriger D2-RB gut auf eine medikamentöse Therapie ansprechen, während bei Patienten mit hoher D2-RB u.a. eine Schlafentzugsbehandlung aussichtsreich ist.


2018 ◽  
Vol 235 (11) ◽  
pp. 1242-1258
Author(s):  
Athina Papadopoulou ◽  
Frederike Oertel ◽  
Hanna Zimmermann ◽  
Oliver Zeitz ◽  
Alexander Brandt ◽  
...  

ZusammenfassungInflammatorische, degenerative und tumoröse Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) gehen häufig mit Veränderungen am Augenhintergrund und Sehstörungen einher. Mit der optischen Kohärenztomografie (OCT) hat erstmals eine Methode Einzug in das neuroophthalmologische Methodenspektrum gehalten, die das strukturelle Korrelat dieser Sehstörungen quantitativ und für den klinischen Alltag praktikabel erfassen kann. Das auf Interferometrie beruhende, nicht invasive Verfahren ist in der Lage, hochaufgelöste Volumenaufnahmen der Retina aufzunehmen und die Dicke bzw. das Volumen einzelner Schichten der Netzhaut zu messen. Insbesondere die pRNFL (peripapilläre retinale Nervenfaserschicht) und GCIPL (Ganglienzellschicht und innere plexiforme Schicht zusammen) sind in der Neurologie von großem Interesse, da sie Axone und zugehörige Nervenzellen enthalten, die im weiteren Verlauf den Sehnerv bilden. Bei einer akuten Optikusneuritis (ON) kann eine initiale Schwellung der pRNFL zur Diagnose und Differenzialdiagnose der ON und eine Verdünnung der GCIPL während der ersten 4 Wochen zur Prognose der Visuserholung beitragen. Bei der multiplen Sklerose (MS) ist die Rolle der OCT nicht nur in Zusammenhang mit der ON zu sehen. Auch MS-Augen ohne ON zeigen eine Verdünnung der pRNFL und GCIPL, die mit neurodegenerativen Prozessen im gesamten ZNS korreliert. Mehrere Studien haben Korrelationen zwischen diesen OCT-Parametern und dem Risiko für eine klinische Verschlechterung (Behinderungsprogression), kognitive Defizite, aber auch Krankheitsaktivität bei MS gezeigt, wobei es häufig noch unklar ist, wie dieser Zusammenhang in der Behandlung des individuellen Patienten nutzbar gemacht werden kann. OCT ist in den letzten Jahren zunehmend auch bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, amyotropher Lateralsklerose und diversen Demenzformen eingesetzt worden. Ein Einsatz in der klinischen Routine ist jedoch noch in deutlich weiterer Ferne als bei entzündlichen ZNS-Erkrankungen, da der klinische Stellenwert von OCT für Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Prädiktion bzw. Verlaufsbeurteilung bislang nicht geklärt ist. Dieser Übersichtsartikel soll einen Überblick über die aktuelle Studienlage zu OCT-Parametern und deren Bedeutung bei inflammatorischen, degenerativen und tumorösen Erkrankungen des zentralen Nervensystems schaffen.


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