Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen (ADOS): Erste Ergebnisse zur Zuverlässigkeit und Gültigkeit

Author(s):  
S. Bölte ◽  
F. Poustka

Zusammenfassung: Fragestellung: Abklärung der psychometrischen Eigenschaften der Diagnostischen Beobachtungsskala für Autistische Störungen, der deutschsprachigen Fassung des Autism Diagnostic Observation Schedule (ADOS). Methodik: In einer Stichprobe von 137 Probanden mit frühkindlichem Autismus, 23 mit atypischem Autismus oder nicht näher bezeichneter tiefgreifender Entwicklungsstörung, 16 mit Asperger-Syndrom und 13 mit einer anderen psychiatrischen Störung nach ICD-10 wurden die Interrater- und Retestreliabilität, interne Konsistenz, konvergente und diagnostische Validität bestimmt. Ergebnisse: Interrater- und Retestreliabilität erwiesen sich sowohl auf Diagnosen- (kappaw = 1.00 bzw. .62) als auch auf Skalenebene (rtt = .84 bzw. .79) als gut, ebenso die interne Konsistenz der Algorithmusskala Kommunikation und soziale Interaktion der Module 1 bis 4 (rtt = .78 bis .89). Die Diagnosenkonvergenz mit dem Autismus Diagnostischen Interview-Revision (ADI-R) lag bei 79% (kappa = .23), bei moderater Korrelation der korrespondierenden Subskalen der Verfahren (rtc = .31 bis .45). Die Übereinstimmung von ADOS und klinischer Konsensusdiagnose war 77% (kappaw = .37), bei einer Sensitivität des Verfahrens von 90.4% und einer Spezifität von 48.1% für die Diskrimination von Autismus und anderen autistischen Störungen. Schlussfolgerungen: Das ADOS ist ein für die Erfassung autistischer Störungen zuverlässiges und ausreichend sensitives klinisches Diagnostikum. Damit eine psychiatrische Diagnose nach ICD-10 und DSM-IV gestellt werden kann und um hohe Spezifität der psychiatrischen Klassifikation zu gewährleisten, muss das ADOS durch Informationen zu stereotypem, repetitivem Verhalten sowie anamnestische Daten (z.B. aus dem ADI-R) ergänzt werden.

Author(s):  
M. Noterdaeme ◽  
U. Kurz ◽  
K. Mildenberger ◽  
S. Sitter ◽  
H. Amorosa

Zusammenfassung: Fragestellung: In einer Pilotstudie soll die Reliabilität und Validität des Beobachtungsinstruments «Autism Diagnostic Observation Schedule» (ADOS) untersucht werden. Es wird überprüft, inwieweit eine differentialdiagnostische Abgrenzung zwischen Kindern mit einem frühkindlichen Autismus und Kindern mit einer umschriebenen rezeptiven Sprachentwicklungsstörung möglich ist. Methodik: Bei acht autistischen Jungen und acht alters- und IQ-parallelisierten Jungen mit einer umschriebenen rezeptiven Sprachentwicklungsstörung wurde das ADOS durchgeführt. Die Reliabilitätsüberprüfung wurde von acht Rater-Paaren vorgenommen. Die Übereinstimmung zwischen der diagnostischen Zuordnung anhand des ICD-10-Algorithmus des ADOS und der unabhängigen klinisch-psychiatrischen Diagnose zweier Expertinnen wurde als Maß für die Validität des Instruments benutzt. Ergebnisse: Es stellte sich heraus, daß Rater mit Erfahrung im Bereich der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen eine gute Übereinstimmung bei der Bewertung der verschiedenen ADOS-Items erreichten. Anhand verschiedener Einzelitems konnten klare Gruppenunterschiede ermittelt werden. Der ADOS-ICD-10-Algorithmus konnte die klinische Diagnose eines frühkindlichen Autismus bei fünf der acht Kinder aus dieser Gruppe bestätigen. Kein Kind mit der klinischen Diagnose einer rezeptiven Sprachentwicklungsstörung wurde anhand des Algorithmus der Gruppe der autistischen Kinder zugewiesen. Schlußfolgerungen: In geschulter Hand ist das ADOS ein reliables Untersuchungsinstrument. Es kann die differentialdiagnostische Abklärung zwischen frühkindlichem Autismus und rezeptiver Sprachentwicklungsstörung unterstützen, z usätzliche Elternangaben sind aber notwendig, um die Diagnose zu sichern.


Author(s):  
S. Bölte ◽  
F. Poustka

Zusammenfassung:Fragestellung: Ziel dieser explorativen Studie war es zu untersuchen, ob die in erster Linie inhaltsvalide konstruierten Verhaltensbereiche des Autismus nach ICD-10 und DSM-IV (soziale Interaktion, Kommunikation und begrenzte, repetitive, stereotype Verhaltensmuster) mit statistisch generierten Verhaltensdimensionen konsistent sind. Methodik: Aus dem Autismus Diagnostischen Interview-Revision (ADI-R) gewonnene Daten von N = 262 Probanden mit Autismus oder autistischen Zügen wurden in einer Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation und Faktorenextraktion nach dem Scree-Kriterium verrechnet. Ergebnisse: Die Dimensionierung der Algorithmusitems des ADI-R ergab nur eine vage Übereinstimmung der latenten Variablen mit den postulierten Verhaltensbereichen nach ICD-10 und DSM-IV. Eine 3-Faktorenlösung mit 46,1% Varianzaufklärung ergab zwei sozio-kommunikative und eine sprachbezogene Dimension. Die Items zur Erfassung repetitiven, stereotypen Verhaltens luden nur schwach auf diesen Faktoren. Schlussfolgerungen: Die faktorenanalytische Vorgehensweise legt eine von ICD-10 und DSM-IV abweichende Organisation des Autismuskonstrukts nahe, in der repetitive, stereotype Symptome der Störung eine eingeschränkte Bedeutung haben.


2012 ◽  
Vol 1 (2) ◽  
pp. 099-117 ◽  
Author(s):  
Elisabeth Moser Opitz ◽  
Erich Ramseier
Keyword(s):  
Icd 10 ◽  

Zusammenfassung: Trotz verstärkten Forschungsaktivitäten bezogen auf das Thema Rechenschwäche bleiben bezüglich deren Diagnose viele Fragen offen. Diagnoseinstrumente liegen im deutschsprachigen Raum fast ausschließlich für den Grundschulbereich vor, und es fehlen Tests, die sich zum Einsatz bei älteren Lernenden eignen. Zudem werden die auf der ICD-10 bzw. der DSM-IV basierenden Diagnose- und Klassifikationskriterien und das Diskrepanzmodell kritisch diskutiert. Diese Auseinandersetzung wird im Artikel dargestellt. Davon ausgehend wird auf die Bedeutung der verwendeten Instrumente und deren Validität – insbesondere deren Inhaltsvalidität – verwiesen, und es wird herausgearbeitet, welche empirischen Ergebnisse als Grundlage für die Auswahl von Testinhalten und Aufgaben dienen können. Einige ausgewählte Rechenschwäche-Tests werden hinsichtlich ihrer Begründung der Validität untersucht. Anschließend wird anhand von Daten aus Basisdiagnostik Mathematik für die Klassen 4 – 8 aufgezeigt, dass die Verwendung von unterschiedlich effektiven Rechenstrategien bei einfachen Kopfrechenaufgaben (z. B. Abrufen von Ergebnissen versus Abzählen/schriftliches Rechnen) als eigenständiges Diagnosekriterium sinnvoll ist und bei der Testkonstruktion vermehrt berücksichtigt werden müsste. Weiter wird dargestellt, dass die Bestimmung der Kriteriumsvalidität auf der Basis von Noten und Leistungseinschätzungen der Lehrperson fragwürdig ist und dass im Sinne einer integralen Validierung möglichst viele weitere Aspekte wie Intelligenz und Strategieverwendung einbezogen und insbesondere die inhaltlich-theoretische Begründung der ausgewählten Testaufgaben als Basis der Validität genutzt werden müssen.


Author(s):  
Christine M. Freitag ◽  
Katrin Jensen ◽  
Karoline Teufel ◽  
Marvin Luh ◽  
Antoaneta Todorova ◽  
...  

Zusammenfassung. Der vorliegende systematische Überblicksartikel basiert auf Vorarbeiten im Rahmen der Erstellung der AWMF-S3-Leitlinien zur Therapie von Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Das Ziel ist, den aktuellen Stand evidenzbasierter Interventionen zur Behandlung der Kernsymptomatik sowie sprachlichen Förderung im Kleinkind- und Vorschulalter für Kinder mit ASS darzustellen. Einschlusskriterien: entwicklungsorientierte oder verhaltenstherapeutisch basierte, manualisierte Intervention für Kinder mit ASS nach DSM-III (R), DSM-IV (TR), DSM-5 oder ICD-10, Alter < 7 Jahre, Publikationsdatum 1.1.2011 bis 31.8.2018. Iterativ-hierarchischer Prozess für den Studieneinschluss: systematisches Review > randomisiert kontrollierte > kontrollierte klinische Studie. Zielgrößen der eingeschlossenen Studien: zentrale autismusspezifische Symptomatik oder entwicklungspsychologisch belegte Vorläuferfertigkeiten oder Verbesserung der sprachlichen Fertigkeiten. Die Interventionen wurden (1) anhand ihrer wöchentlichen Frequenz sowie (2) anhand der therapeutischen Inhalte sortiert. Spezifische Therapieinhalte, wie die Förderung elterlicher Synchronizität sowie kindlicher gemeinsamer Aufmerksamkeit, Symbolspiel und Imitation einerseits oder die umfassende Förderung verschiedener Entwicklungsbereiche andererseits, wurden in den entsprechenden Studien untersucht. Die soziale Interaktion und Kommunikation verbesserte sich langfristig durch das frühe Training elterlicher Synchronizität und kindlicher Reziprozität sowie durch niedrigfrequente, umfassende, entwicklungsorientierte Therapieprogramme, denen das natürliche Lernformat zugrunde liegt. Hochfrequente, am diskreten Lernformat orientierte Programme zeigten diesbezüglich keine Effekte. Sprachliche Fertigkeiten verbesserten sich ebenfalls durch umfassende Förderung. Der Artikel summiert abschließend die Empfehlungen zu der in diesem Artikel untersuchten Fragestellung.


2000 ◽  
Vol 13 (1) ◽  
pp. 30-37 ◽  
Author(s):  
Friedel M. Reischies ◽  
Klaus-Peter Kühl ◽  
Michael Krebs

Zusammenfassung: Die klinische Erfassung von Gedächtnisstörungen erfolgt in der Regel über die Vorgabe von drei Merkwörtern. Derzeit existieren keine besseren Verfahren, die auch klinisch im Sinne eines «bedside testing» einzusetzen sind. Mit der Zehn-Wort-Merkliste wird ein für die klinische Praxis konzipiertes Verfahren vorgestellt, das die Mängel tradierter klinischer Untersuchungsansätze zur Erfassung von episodischen Gedächtnisleistungen überwinden hilft. Die Aufgabe, sich die Wörter zu merken, wird verbunden mit der Aufforderung, sich den vom Wort abgebildeten Begriff vorzustellen und mit einem tatsächlich vorhandenen Gegenstand (z. B. einem Tisch) hinsichtlich seiner Größe zu vergleichen. Durch dieses Vorgehen wird erreicht, daß für die Merkwörter bildliche Vorstellungen generiert und zugleich mögliche Reverberationen unterbunden werden. Eine im Rahmen einer Gedächtnisambulanz durchgeführte Studie unterstreicht die - im Vergleich mit anderen Untersuchungsverfahren - hohe diskriminative Bedeutung der Zehn-Wort-Merkliste bei der Trennung dreier Diagnosegruppen (Demenz, leichte kognitive Störung, funktionell gestörte, vorwiegend depressive Patienten) und Personen ohne psychiatrische Diagnose (Wilks'λ = 0.34). Die konkurrente Validität (rtc = 0.75) des Verfahrens is hoch. Es werden erste Ergebnisse aus Untersuchungen an gesunden Personen mit Hinweisen auf die Stabilität (rtt = 0.84, rtt = 0.86) der Zehn-Wort-Merkliste berichtet.


Author(s):  
Christine M. Freitag
Keyword(s):  
Dsm 5 ◽  
Icd 10 ◽  

Die Autismus-Spektrum Störung (ASS) wird in DSM-5 als eine Erkrankung aus den ICD-10 bzw. DSM-IV TR-Diagnosen frühkindlicher Autismus, Asperger Syndrom und atypischer Autismus/PDD-nos zusammengefasst und weist entsprechend revidierte Kriterien auf. In dem vorliegenden Artikel werden diese Kriterien vergleichend dargestellt, Studien zu Validität und Reliabilität der neuen ASS-Diagnose präsentiert und offene Fragen diskutiert. Ein Ausblick auf die klinische und wissenschaftliche Bedeutung wird gegeben.


Author(s):  
Inge Kamp-Becker ◽  
Klaus Baumann ◽  
Linda Sprenger ◽  
Katja Becker

Fragestellung: Die «Multiple complex developmental disorder» (MCDD) ist ein wenig bekanntes Störungsbild, das durch Auffälligkeiten in der Emotionsregulation, der sozialen Interaktion und Denkstörungen gekennzeichnet ist. Weder im Klassifikationssystem des ICD-10, noch im DSM-IV kommt diese Diagnose vor. Methodik: In der vorliegenden Arbeit wird eine Übersicht über die diagnostischen Kriterien und den aktuellen Forschungsstand zum Konzept der MCDD gegeben und anhand einer Kasuistik eines 17-jährigen Jugendlichen illustriert. Ergebnis: Das Störungsbild der MCDD weist Überschneidungen zu autistischen Störungen, aber auch zu Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis auf. Eine klare Abgrenzung bzw. Zuordnung ist bisher nicht eindeutig möglich. Schlussfolgerungen: Viele Fragen bezüglich des Störungsbildes bleiben offen, weitere Forschung ist hier vonnöten.


Author(s):  
Christine M. Freitag

Autistische Störungen (AS) zeichnen sich durch Einschränkungen in den drei Bereichen soziale Interaktion, Kommunikation und Sprache sowie durch stereotypes Verhalten und Sonderinteressen aus. Im Rahmen der Frühförderung bei AS geht es um eine umfassende Förderung der gemeinsamen Aufmerksamkeit, des Spielverhaltens, der Sprachentwicklung sowie insbesondere der sozialen Interaktion und Kommunikation. Es existieren unterschiedliche, empirisch relativ gut überprüfte, verhaltenstherapeutische Ansätze und Therapieprogramme, die in diesem Artikel zusammengefasst sind. Dabei wird besonderer Wert auf die wissenschaftliche Evidenz der jeweiligen Ansätze gelegt.


Author(s):  
Christina Stadler

Dieser Beitrag diskutiert die prädiktive Validität der allgemeinen Diagnosekriterien von Störungen des Sozialverhaltens nach ICD-10 und DSM-IV-TR. Dabei wird Bezug genommen auf aktuelle Befunde, die eine Phänotypisierung früh beginnender Störungen des Sozialverhaltens auf der Basis neurobiologischer und persönlichkeitsspezifischer Faktoren nahelegen. Untersuchungsergebnisse, die auf defizitäre neurobiologische Mechanismen aggressiven Verhaltens in Bezug auf Prozesse der Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation hinweisen, werden dargestellt, wobei auch die Bedeutung möglicher mediierender Einflüsse früher psychosozialer Erfahrungen auf neurobiologische Funktionen erörtert wird. Die klinischen Implikationen für die Klassifikation, den Verlauf und die Behandlung von Störungen des Sozialverhaltens werden abschließend diskutiert.


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