Indikationsentscheidungen zur stationären Aufnahme in kinder- und jugendpsychiatrische Kliniken
Zusammenfassung: Fragestellung: Indikationen zur stationären Aufnahme in die Kinder- und Jugendpsychiatrie sind bisher kaum empirisch untersucht. Über eine Analyse der Entscheidungsmodelle von Fachleuten sollen daher relevante Indikationskriterien für eine kinder- und jugendpsychiatrische stationäre Aufnahme identifiziert werden. Annahme ist, dass Expertise, die soziale Handlungsorientierung der Fachleute und die Perspektive des jeweiligen Versorgungssystems einen Einfluss auf die Indikationskonzepte haben. Methode: Mit einer adaptierten Struktur-Lege-Technik wurden die Entscheidungsmodelle von 71 Fachleuten aus dem stationären und ambulanten kinder- und jugendpsychiatrischen Tätigkeitsfeld erfasst. Ein Vergleich der Modelle wurde einerseits zwischen einzelnen stationären Berufsgruppen und andererseits zwischen niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern gegenüber Chef-/Oberärzten vorgenommen. Ergebnisse: Die Bedeutung der berufspezifischen Expertise spiegelt sich nur in der starken Gewichtung psychosozialer Indikationskriterien durch das Stationspflegepersonal wider, und ist in unserer Studie somit als gering einzuschätzen. Ein Einfluss der Versorgungsperspektive zeigte sich darin, dass die ambulanten Ärzte die Indikation enger stellten und die eigenen ambulanten Ressourcen als tragfähiger bewerteten als die Chef- und Oberärzte des stationären Bereichs. Wesentliche Indikationskriterien für alle Berufsgruppen waren Selbstgefährdung, Fremdgefährdung, Schweregrad der Symptomatik, Bewertung ambulanter Ressourcen und Erfolgsaussichten sowie Notwendigkeit einer Intensivbehandlung. Schlussfolgerungen: Diese Ergebnisse liefern weitere Forschungsperspektiven, z.B. hinsichtlich regional- und klinikspezifischer Indikationsvorstellungen, und verdeutlichen die Notwendigkeit eines fachlichen Diskurses über die Indikationspraxis.