Neurorehabilitation kognitiver Störungen

2017 ◽  
Vol 74 (9) ◽  
pp. 503-509
Author(s):  
Klemens Gutbrod ◽  
Dörthe Heinemann ◽  
René Müri

Zusammenfassung. Eine erworbene Hirnschädigung ist die häufigste Ursache für eine chronische Behinderung im Erwachsenenalter. Trotz neurologischer Erholung können neuropsychologische Störungen persistieren und die Lebensqualität des Patienten einschränken. Aus diesem Grund ist die kognitive Rehabilitation eine wichtige Komponente der Neurorehabilitation. Kognitive Störungen nach einer Hirnschädigung finden sich am häufigsten in den Bereichen Gedächtnis, Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen und Neglect. Für jeden dieser Bereiche werden in dieser Überblicksarbeit die verschiedenen Therapiemöglichkeiten beschrieben. Für alle diese kognitiven Domänen existieren evidenzbasierte Studien zur spezifischen Therapiewirksamkeit, welche eine Empfehlung eines Standards für die klinische Praxis erlauben.

2011 ◽  
Vol 59 (1) ◽  
pp. 11-23 ◽  
Author(s):  
Jan Witthöft ◽  
Ute Koglin ◽  
Franz Petermann

Bei der Erforschung aggressiv-dissozialen Verhaltens wurde die Bedeutung von neuropsychologischen Funktionen bisher vergleichsweise selten berücksichtigt – zudem sind die Ergebnisse heterogen. Mit einer umfangreichen Literatursuche wurden Studien identifiziert, die die Zusammenhänge von neuropsychologischen Leistungen und aggressiv-dissozialem Verhalten bei Jugendlichen untersuchten. Die Befunde werden differenziert nach Subtypen aggressiv-dissozialen Verhaltens dargestellt (Störung des Sozialverhaltens, physisch-aggressives Verhalten, straffälliges Verhalten und Psychopathie). Insgesamt weisen sie auf die Bedeutung der sprachlichen und exekutiven Funktionen hin. Defizite in diesen Funktionsbereichen sind insbesondere bei früh auftretendem stabilen und gewalttätigen Verhalten nachweisbar. Sprache, exekutive Funktionen und ihr Zusammenspiel werden in ihrer Bedeutung für sozial-kompetentes und aggressiv-dissoziales Verhalten diskutiert und die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der verwendeten Methodik, Einfluss von ADHS und Intelligenz kritisch besprochen. Abschließend werden neuropsychologische Defizite und biosoziale Risikofaktoren in der Entwicklung aggressiv-dissozialen Verhaltens miteinander in Beziehung gesetzt und Schlussfolgerungen für die klinische Praxis dargestellt.


2000 ◽  
Vol 13 (1) ◽  
pp. 30-37 ◽  
Author(s):  
Friedel M. Reischies ◽  
Klaus-Peter Kühl ◽  
Michael Krebs

Zusammenfassung: Die klinische Erfassung von Gedächtnisstörungen erfolgt in der Regel über die Vorgabe von drei Merkwörtern. Derzeit existieren keine besseren Verfahren, die auch klinisch im Sinne eines «bedside testing» einzusetzen sind. Mit der Zehn-Wort-Merkliste wird ein für die klinische Praxis konzipiertes Verfahren vorgestellt, das die Mängel tradierter klinischer Untersuchungsansätze zur Erfassung von episodischen Gedächtnisleistungen überwinden hilft. Die Aufgabe, sich die Wörter zu merken, wird verbunden mit der Aufforderung, sich den vom Wort abgebildeten Begriff vorzustellen und mit einem tatsächlich vorhandenen Gegenstand (z. B. einem Tisch) hinsichtlich seiner Größe zu vergleichen. Durch dieses Vorgehen wird erreicht, daß für die Merkwörter bildliche Vorstellungen generiert und zugleich mögliche Reverberationen unterbunden werden. Eine im Rahmen einer Gedächtnisambulanz durchgeführte Studie unterstreicht die - im Vergleich mit anderen Untersuchungsverfahren - hohe diskriminative Bedeutung der Zehn-Wort-Merkliste bei der Trennung dreier Diagnosegruppen (Demenz, leichte kognitive Störung, funktionell gestörte, vorwiegend depressive Patienten) und Personen ohne psychiatrische Diagnose (Wilks'λ = 0.34). Die konkurrente Validität (rtc = 0.75) des Verfahrens is hoch. Es werden erste Ergebnisse aus Untersuchungen an gesunden Personen mit Hinweisen auf die Stabilität (rtt = 0.84, rtt = 0.86) der Zehn-Wort-Merkliste berichtet.


2003 ◽  
Vol 60 (9) ◽  
pp. 535-540 ◽  
Author(s):  
B. Norrving

Lakunäre Infarkte, kleine tief liegende Hirninfarkte als Folge eines Verschlusses einer perforierenden Arteriole, machen zahlenmäßig etwa einen Viertel aller ischämischen Hirninfarkte aus. Die Meinung, dass es sich um eine gutartige und harmlose vaskuläre Affektion handelt, hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Die Prognose in den ersten Jahren nach dem Ereignis ist besser als bei Hirninfarkten anderer Ätiologie, möglicherweise wegen der geringen Größe der Läsion, längerfristig steigt jedoch das Risiko zu sterben, Rezidivinfarkte zu erleiden und kognitive Störungen zu entwickeln überdurchschnittlich. Schlaganfallrezidive sind langfristig etwa gleich häufig wie bei den meisten anderen Schlaganfalltypen. Außerdem sind die Patienten gefährdet, kognitive Einschränkungen zu erleiden und schließlich dement zu werden. Fortschreitendes Alter, vaskuläre Risikofaktoren und hoher nächtlicher Blutdruck haben prognostisch entscheidende Bedeutung. Lakunäre Infarkte und eine vaskuläre Leukenzephalopathie, die zwei Haupttypen der Mikroangiopathie, kommen oft gleichzeitig vor. In diesem Fall wirken sie synergistisch auf einen kognitiven Abbau hin. Die wichstige Sekundärprophylaxe nach einem lakunären Infarkt besteht in der Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern und der Modifikation der vaskulären Risikofaktoren.


2014 ◽  
Vol 71 (10) ◽  
pp. 599-607 ◽  
Author(s):  
Martin Neuenschwander

Digitale Medien sind mittlerweile unentbehrlich in Schule, Beruf, Familie und Freizeit und durchdringen unseren Alltag immer stärker. Dazu vermögen sie die Menschen aller Altersstufen zu faszinieren dank vielfältiger und immer neuer Nutzungsmöglichkeiten für Kommunikation, Unterhaltung und Spiel. Von großer Relevanz sind diesbezüglich insbesondere soziale Netzwerke und Onlinespiele, an denen sich täglich Millionen beteiligen. Der Großteil der Bevölkerung nutzt diese interaktiven Medien funktional, selbstbestimmt und genussvoll. Andererseits belegen empirische Studien, dass eine Minderheit von 1 % bis 6 % ein dysfunktionales, suchtartiges Verhalten zeigt, typischerweise bei der Onlinekommunikation, beim Computerspiel oder beim Konsum von erotisch-pornografischem Bildmaterial. Das Störungsbild „Onlinesucht“ ist zwar eine Realität, figuriert bisher aber nicht als offizielle Diagnose in den Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-5. Die Fachdiskussion über die nosologische Einordnung des Störungsbildes ist noch im Gang. Für die klinische Praxis existieren allerdings bereits jetzt valide diagnostische Hilfestellungen. Da das zur Verfügung stehende professionelle Beratungs- und Therapieangebot nur spärlich in Anspruch genommen wird, kommt der medizinischen Grundversorgung für die Früherkennung und Triage hinsichtlich adäquater Interventionen eine wichtige Bedeutung zu. Im deutschsprachigen Raum stehen verschiedene webbasierte Plattformen für Prävention, Beratung und Therapie zur Verfügung.


2017 ◽  
Vol 74 (3) ◽  
pp. 115-121
Author(s):  
Benedetta Terziroli Beretta-Piccoli ◽  
Diego Vergani ◽  
Giorgina Mieli-Vergani

Zusammenfassung. Autoimmunhepatitis (AIH) ist eine chronisch entzündliche immunvermittelte Lebererkrankung. Sie kann alle Altersgruppen betreffen und ist durch hohe Transaminase- und Immunglobulin G (IgG)- Werte, positive Autoantikörper sowie histologisch durch Grenzzonenhepatitis gekennzeichnet. Wenn unbehandelt, führt sie zu Zirrhose und Leberversagen; wenn sie aber rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird, hat die Erkrankung eine ausgezeichnete, langfristige Prognose. Die Behandlung basiert auf Steroiden und Azathioprin. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Punkte für die klinische Praxis zusammen.


2014 ◽  
Vol 25 (1) ◽  
pp. 17-30 ◽  
Author(s):  
Elke Kalbe ◽  
Annette Petrelli

Neuropsychologische Defizite bei Parkinsonpatienten sind häufig und umfassen typischerweise exekutive Störungen, Gedächtnis- (v. a. strategische Enkodier- und Abruf‐) Defizite, visuell-räumliche sowie Aufmerksamkeitsstörungen. Die Punktprävalenz der leichten kognitiven Störungen bei Parkinsonpatienten (Mild Cognitive Impairment in Parkinson′s Disease, PD-MCI), für die 2012 Forschungskriterien publiziert wurden, wird im Mittel auf 27 % geschätzt werden; die Punktprävalenz der Parkinson-Demenz (Parkinson′s Disease Dementia, PDD) wird mit etwa 30 % angegeben. Longitudinal entwickeln die meisten Parkinsonpatienten während ihrer Erkrankung eine kognitive Störung. Aufgrund ihrer Häufigkeit und Relevanz ist es wichtig, diese zu diagnostizieren. Für die Therapie der PDD ist der Acetylcholinesterasehemmer Rivastigmin zugelassen; andere zugelassene Behandlungsmöglichkeiten existieren derzeit nicht. Die Evidenzlage zu nicht-pharmakologischen Interventionsansätzen ist bislang unzureichend; erste Studien zur Wirksamkeit kognitiven Trainings sowie physischer Aktivität sind jedoch vielversprechend.


Author(s):  
Manfred Hintermair ◽  
Désirée Korneffel

Fragestellung: Da im Zuge inklusiver Bestrebungen immer mehr hörgeschädigte Kinder eine allgemeine Schule besuchen werden, gilt es, relevante entwicklungspsychologische Voraussetzungen hierfür genauer zu betrachten. In einer Studie wurden deshalb sozial-emotionale Probleme hörgeschädigter Kinder an allgemeinen Schulen im Zusammenhang mit möglichen Problemen in der Entwicklung exekutiver Funktionen und der kommunikativen Kompetenz diskutiert. Methodik: Eine Stichprobe von 69 Schülern wurde mit einer deutschen Version des «Behavior Rating Inventory of Executive Functions (BRIEF)», einer Kurzskala zur Erfassung der kommunikativen Kompetenz sowie dem Strengths and Difficulties Questionnaire untersucht. Die Daten wurden mit einer Normierungsstichprobe verglichen, weiter wurden korrelative und regressionsanalytische Zusammenhänge der Variablen berechnet. Ebenso wurden Zusammenhänge der exekutiven Funktionen mit soziodemographischen Variablen analysiert. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass in fast allen Bereichen exekutiver Funktionen die hörgeschädigten Kinder mehr Probleme aufweisen als die Kinder der hörenden Normierungsstichprobe und die Prävalenzrate durchschnittlich ca. dreimal höher ist. Der Index für verhaltensregulierende exekutive Funktionen erweist sich neben dem Geschlecht am besten zur Vorhersage sozial-emotionaler Probleme. Schlussfolgerungen: Für die pädagogische Praxis ergibt sich, dass hörgeschädigte Schüler an allgemeinen Schulen in Bezug auf ihre psychosoziale Entwicklung von einem pädagogischen Konzept profitieren, das neben der Förderung sprachkommunikativer Kompetenzen auch auf die Stärkung von Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit der Kinder fokussiert.


2011 ◽  
Vol 59 (2) ◽  
pp. 155-165 ◽  
Author(s):  
Sören Schmidt ◽  
Franz Petermann ◽  
Manfred E. Beutel ◽  
Elmar Brähler

Zusammenfassung. Die Erfassung von Beschwerden und der Befindlichkeit sind wesentlicher Teil eines klinisch-diagnostischen Prozesses. Da Angststörungen und Depressionen in hohem Maße mit verschiedenen psychischen und körperlichen Belastung einhergehen, wurden in dieser Studie primär die prädiktiven Eigenschaften der Beschwerden-Liste (B-LR) und der Befindlichkeits-Skala (Bf-SR) in revidierter Form mittels Regressionsanalysen (linear und hierarchisch) an einer Stichprobe von N = 2504 untersucht. Als abhängiges Kriterium galt die Ausprägung von Angst- und Depressionssymptomen, ermittelt über das Kurzscreening Patient-Health-Questionnaire-4 (PHQ-4). Da vermutet wurde, dass entsprechende Symptome auch einen Einfluss auf die Qualität sozialer Beziehungen des Betroffenen haben und die globale Lebenszufriedenheit beeinflussen, wurden zudem das Quality of Personal Relationships Inventory (QRI) sowie der Fragebogen zur Lebenszufriedenheit (FLZM) eingesetzt. Sowohl B-LR als auch Bf-SR verfügten über alle Altersgruppen und geschlechtsinvariant über hohe prädiktive Eigenschaften. Die Qualität sozialer Beziehung (QRI) eignet sich nicht zur Vorhersage von Angst und Depressionen. Globale Lebenszufriedenheit nimmt in der Altersgruppe 14–74 gegenläufig zum Anstieg von Angst- und Depressionssymptomen signifikant ab, in der Altersgruppe der ⩾ 75-jährigen Männern leistet diese jedoch keinen signifikanten Beitrag zur Varianzaufklärung. Bei den Frauen dieser Altersgruppe geht eine Erhöhung der Lebenszufriedenheit mit der Zunahme von Angst- und Depressionssymptomen einher. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass der Einsatz von B-LR und Bf-SR eine gute Informations- und Handlungsbasis für Forschung und klinische Praxis darstellen. Die unterschiedlichen Tendenzen innerhalb der Analysen zwischen Männern und Frauen weisen auf geschlechtsspezifische Verarbeitungsmechanismen hin. In höherem Alter sollte die Ausprägung von Beschwerden Indikator für die Ermittlung weiterer Ressourcen darstellen, um einen positiven Einfluss auf die Lebenszufriedenheit auszuüben.


2015 ◽  
Vol 63 (4) ◽  
pp. 217-232 ◽  
Author(s):  
Oliver G. Bosch ◽  
Barbara Breitenstein
Keyword(s):  

Zusammenfassung. Die Diagnostik depressiver Erkrankungen beruht auf kategorialen Klassifikationssystemen, die eine Vielzahl heterogener und teils konträrer Symptome zusammenfassen, deren komplexe biologische Grundlagen noch weitgehend ungeklärt sind. Die Diagnosestellung in der Psychiatrie und die damit verbundene Wahl der Behandlung erfolgen primär nur durch Sprache. Die biologische Charakterisierung der Pathophysiologie und Therapiemechanismen durch Biomarker und Gentests stellt eine der Sprache überlegene Organisation der Behandlung mit entsprechend höherer Erfolgsrate in Aussicht. Mithilfe von genetischen Untersuchungen, proteomischen und metabolomischen Profilen, neuroendokrinen und elektrophysiologischen Parametern und multimodaler zerebraler Bildgebung konnten bereits potentiell wichtige Biomarker für die biologische Charakterisierung depressiver Störungen und die Vorhersage des antidepressiven Behandlungserfolges identifiziert werden. Daraus wurden spezifische pathophysiologische Modelle entwickelt, so z. B. das Stress-Modell der Depression, das Serotoninmodell und das Modell der frontocingulären Dysfunktion. Dennoch konnte bislang kein Biomarker Eingang in die klinische Praxis der Depressionsbehandlung finden. Bis Ergebnisse aus der Labordiagnostik in die klinische Behandlungsroutine integriert werden, wird in der Depressionsbehandlung weiterhin die Sprache das letzte Wort haben.


2010 ◽  
Vol 58 (2) ◽  
pp. 103-109 ◽  
Author(s):  
Annette Schaub

Psychotherapie als wesentliche Ergänzung der Psychopharmakotherapie spielt in der Behandlung schizophren erkrankter Patienten eine zentrale Rolle, da Defizite in der Krankheits- und Symptombewältigung (z. B. Behandlungs-Non-Adherence) sowie im sozialen Bereich auftreten. Familieninterventionen oder kognitiv-verhaltenstherapeutische Gruppen haben in der Kombination mit Pharmakotherapie in den letzten 30 Jahren an Bedeutung gewonnen und ihre Wirksamkeit konnte in kontrolliert randomisierten Studien belegt werden. Die Effizienz im Hinblick auf Training sozialer Kompetenzen, kognitive Rehabilitation und Psychoedukation sind derzeit weniger eindeutig. Therapieziele beziehen sich auf die Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus und die Rückfallprophylaxe. Es ist derzeit nicht eindeutig geklärt, ob die Einzeltherapie der Gruppentherapie überlegen ist oder vielmehr beide Ansätze gleichwertig sind.


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