Definiert das Alter den geriatrischen Patienten?

2020 ◽  
Vol 9 (05) ◽  
pp. 424-430
Author(s):  
Britt Hofmann ◽  
Andreas Simm

ZusammenfassungÄltere Menschen stellen einen wachsenden Anteil unserer täglich medizinisch und chirurgisch zu versorgenden Patienten dar. Allerdings definiert das kalendarische Alter alleine den älteren Patienten nur unzureichend. Vielmehr scheint das biologische Alter oder das Maß an Gebrechlichkeit entscheidend für die Charakterisierung zu sein. Auch der Prozentsatz der Menschen, die gebrechlich sind, ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. Gebrechlichkeit oder Frailty ist ein geriatrisches Syndrom, welches durch verringerte physische und psychische Reserven zur Kompensation gekennzeichnet ist. Die beiden am häufigsten genutzten Ansätze zur Definition von Gebrechlichkeit sind der phänotypische Ansatz und der Ansatz der Defizitakkumulation. Für ältere Patienten haben sich in diesem Zusammenhang 2 Interventionspunkte in der klinischen Praxis herauskristallisiert: 1. die präinterventionelle/operative Identifizierung von Hochrisikopatienten, um sowohl die Patientenerwartungen als auch die chirurgische Entscheidungsfindung zu steuern, und 2. periinterventionelle/operative Optimierungsstrategien für gebrechliche Patienten. Noch fehlt ein mit vertretbarem Zeitaufwand in der klinischen Praxis umsetzbarer, objektiver Goldstandard zur Analyse der Frailty.

2018 ◽  
Vol 143 (24) ◽  
pp. 1745-1748
Author(s):  
Ute Hoffmann ◽  
Jan-Marc Thrun

Was ist neu? Neuer Standard für Messmethoden Unter anderem ist die korrekte Blutdruckmessung unter standardisierten Bedingungen in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Dies beinhaltet vor allem die richtige Anwendung von validierten Messgeräten und die Einhaltung eines einheitlichen Messablaufs mit Ruhezeit vor der Messung, dem Durchführen von mehreren Messzyklen ebenso wie der Messung im Stehen bei älteren Patienten. Wegen des höheren Auftretens eines Weißkitteleffekts und der orthostatischen Hypotonie sowie zur Therapiekontrolle wird bei älteren Menschen auch immer die häusliche Selbstmessung empfohlen. Welche Messgeräte für ältere Menschen? Ältere Patienten sollten die Blutdruckmessung mit validierten Oberarmmessgeräten mit gut ablesbarem Display durchführen. Blutdruckzielwerte Die neuen europäischen Leitlinien zum Management der arteriellen Hypertonie empfehlen konkrete und z. T. niedrigere Blutdruckzielwerte zumindest für fitte ältere Patienten. Bei der Einteilung in Gruppen spiegelt sich v. a. die Berücksichtigung von Frailty, der Selbstständigkeit, der Begleitmedikation und der Therapieverträglichkeit der älteren Menschen wider. Nicht-medikamentöse und medikamentöse antihypertensive Strategie bei älteren Menschen Auch älteren Menschen sind, sofern möglich, nicht-medikamentöse Maßnahmen zu empfehlen. Als medikamentöse Initialtherapie eignet sich eine Kombinationstherapie beginnend mit den jeweils niedrigsten Dosen, idealerweise als „single pill“.


Author(s):  
Julian Wangler ◽  
Michael Jansky

Zusammenfassung Hintergrund Gerade im höheren Lebensalter kann regelmäßige körperliche Aktivität einen wertvollen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge und zum Erhalt eines selbständigen Lebens leisten. Das hausärztliche Setting gilt als gut geeignet, um ältere Patienten kompetent zu beraten, sie auf geeignete Bewegungsformate hinzuweisen und zu einer längerfristigen Wahrnehmung selbiger zu motivieren. Ziel der Arbeit Die Studie soll einen Beitrag leisten, den Status quo des Themas Bewegungsförderung für ältere Menschen im hausärztlichen Setting zu explorieren. Material und Methoden Zwischen März und September 2020 wurden 38 qualitative Einzelinterviews mit Hausärzt*innen in Rheinland-Pfalz und Hessen geführt. Ergebnisse Die Interviewten zeigen ein ausgeprägtes Maß an Bewusstsein und Sensitivität in Bezug auf die Gesundheits- und Bewegungsförderung im höheren Lebensalter. Viele Ärzte sind engagiert, wenn es darum geht, geeignete Aktivitäten für ältere Patienten zu identifizieren und diese nachhaltig zu einer Teilnahme zu bewegen. Einige Ärzte arbeiten eng mit Gesundheits- und Sportakteuren vor Ort zusammen. Die Interviewten benennen Herausforderungen, insbesondere ein Fehlen adäquater Strukturen zur Bewegungsförderung. Einem Teil der Hausärzte mangelt es an einem Überblick, welche Bewegungsangebote in der Umgebung angeboten werden; Kooperationen mit Gesundheitsanbietern sind nicht immer gegeben. Schlussfolgerung Hausärzt*innen sollten in einer aktiven Rolle im Bereich der Bewegungs- und Gesundheitsförderung bestärkt werden. Damit sie effektiv auf Angebote verweisen bzw. Patienten dorthin vermitteln können, kommt es darauf an, das hausärztliche Setting in ein kommunales Netzwerk der Prävention und Gesundheitsförderung einzubinden. Gezielte Schulungen können das hausärztliche Team darin unterstützen, Praxisbesuche älterer Patienten systematisch zu nutzen, um auf den Wert körperlicher Aktivität hinzuweisen.


2015 ◽  
Vol 72 (11/12) ◽  
pp. 673-677 ◽  
Author(s):  
Alexandra Malinovska ◽  
Roland Bingisser ◽  
Christian H. Nickel

Zusammenfassung. Jede Medikamentenverschreibung ist ein Balanceakt zwischen gewünschter Wirkung und unerwünschter Arzneimittelwirkung (UAW). Das Hauptrisiko für UAWs ist die Polypharmazie. Mit jedem zusätzlichen Medikament steigt das Risiko für eine UAW. Ältere Menschen haben daher ein erhöhtes Risiko, da sie gehäuft mehrere Medikamente einnehmen. Ob das Alter per se jedoch auch ein Risikofaktor darstellt, ist umstritten. Jedoch konnte gezeigt werden, dass UAWs im Alter vermehrt auftreten und bis zu 16,3 % der Vorstellungen auf einer Notaufnahme ausmachen. Es konnte jedoch in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass viele UAWs vermeidbar und vorhersehbar sind. Jedoch werden UAWs auf der Notfallstation selten erkannt, welches in der unterschiedlichen klinischen Präsentation von UAWs begründet sein kann. Eine Hilfestellung für die Erkennung von UAWs bilden explizite Checklisten wie beispielsweise die Beers Kriterien oder die STOPP/START Liste. Diese sind Aufzählungen von Medikamenten, die potenziell unangebracht für ältere Patienten sind. Jedoch werden UAWs auf Notfallstationen nicht nur nicht erkannt, sondern es werden auch unangebrachte Medikamente auf Notfallstationen verschrieben. Dies zeigt, dass ein Bedarf an Aufarbeitung dieses Problems besteht.


Author(s):  
Hans-Jürgen Rumpf ◽  
Ulrich John ◽  
Ulfert Hapke ◽  
Gallus Bischof

Fragestellung: Ältere Menschen mit problematischem Alkoholkonsum werden im Hinblick auf Frühinterventionen oder suchtspezifische Behandlung unzureichend erreicht und versorgt. Der Artikel gibt einen Überblick zu Diagnostik, Kurzinterventionen und Behandlungsmöglichkeiten. </p><p> Methodik: Recherche bei der Online-Datenbank PubMed. </p><p> Ergebnisse: Sowohl beim Screening als auch bei der vertiefenden Diagnostik gilt, dass Vorgehensweisen aus jüngeren Altersgruppen nicht ohne weiteres übernommen werden können. Kurzinterventionen im Bereich der primärmedizinischen Versorgung haben in ersten Studien Wirksamkeit zeigen können. Studien zu suchtspezifischer Behandlung belegen, dass ältere Patienten kurzfristig zumindest gleich gute Erfolge zeigen und langfristig oft bessere Abstinenzraten erzielen. Es gibt Hinweise, dass eine alterspezifische Anpassung von Interventionen Halteraten und Erfolg verbessern kann. </p><p> Schlussfolgerungen: Es stehen wirksame Behandlungsmöglichkeiten für problematischen Alkoholkonsum bei Menschen im höheren Lebensalter zur Verfügung. Eine bessere Versorgung mit Kurzinterventionen und weiterführenden therapeutischen Maßnahmen ist vordringlich.


2002 ◽  
Vol 15 (2) ◽  
pp. 53-60
Author(s):  
Hendrik Berth ◽  
Andreas Dinkel ◽  
Friedrich Balck
Keyword(s):  

Zusammenfassung: Die Möglichkeiten und Grenzen der Gendiagnostik erfahren zurzeit eine breite öffentliche Diskussion. In einer für Deutschland repräsentativen Erhebung mit N = 2.076 Befragten im Alter von 14 bis 95 Jahren wurde 2001 ein Fragebogen (12 Items) zu den Vor- und Nachteilen molekulargenetischer Diagnostik für erbliche Erkrankungen (Gentests) eingesetzt. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen bei den N = 602 über 60jährigen Befragten im Vergleich zu den jüngeren Altersgruppen signifikante Unterschiede. Ältere Menschen befürworten insgesamt das Durchführen von Gentests weniger, sie sehen weniger mögliche Vorteile und mehr Nachteile, wie etwa Schwangerschaftsabbrüche. Andererseits haben sie auch weniger Befürchtungen bzgl. genetischer Untersuchungen (z. B. Datenmissbrauch). Diese Ergebnisse entsprechen den in internationalen Studien gefundenen Trends.


2002 ◽  
Vol 15 (4) ◽  
pp. 205-209
Author(s):  
Hans-Werner Wahl

Zusammenfassung: Psychologische Variablen werden allgemein als bedeutsam für den Verlauf und Ausgang geriatrischer Rehabilitation angesehen, jedoch liegen nur wenige empirische Studien zu dieser Thematik vor. In der vorliegenden Arbeit wurden N = 90 ältere Menschen (M = 78.8; 84 % Frauen) vor und nach Ende einer geriatrischen Rehabilitation mit einem Instrumentarium untersucht, das sowohl im engeren Sinne “geriatrische” Verfahren (wie Barthel-Index) wie auch psychologische Maße beinhaltete. Ein besonderes Auswertungsanliegen war die Untersuchung der Frage, ob sich das korrelative Gefüge der Variablen vor und nach der Rehabilitation bedeutsam unterscheidet. Hier zeigte sich, dass dieses vor allem im Kontext der Variable Autonomie, jedoch nicht hinsichtlich des subjektiven Wohlbefindens der Fall war. So ko-variierten nach Abschluss der Rehabilitationn psychologische Maße wie z. B. Ängstlichkeit und verhaltensbezogene Bewältigung stärker mit der Variable Autonomie als vor Beginn der Rehabilitation. Eine Erklärung hierfür könnte darin liegen, dass psychische Variablen (wieder) eine größere Rolle für die Aufrechterhaltung von Autonomie spielen, wenn gegen Ende der Rehabilitation die physischen Potenziale reaktiviert sind.


2004 ◽  
Vol 61 (2) ◽  
pp. 117-124
Author(s):  
Solenthaler ◽  
Tobler

Die myelodysplastischen Syndrome bilden eine heterogene Gruppe von Krankheiten mit klonal expandierten hämatopoetischen Vorläuferzellen im Knochenmark, die durch eine ineffektive Hämatopoese, periphere Zytopenien unterschiedlicher Ausprägung und einem erhöhten Risiko für eine Transformation in eine akute myeloische Leukämie gekennzeichnet sind. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, was einen kurativen Therapieansatz mittels allogener Stammzelltransplantation in den meisten Fällen von vorneherein ausschließt. Neben der rein palliativen Therapie (Transfusionen, Infektbehandlung) stehen heute alternative Therapien zur Diskussion wie Wachstumsfaktoren und Immunmodulatoren sowie intensive Chemotherapien auch beim älteren Hochrisikopatienten mit Blastenvermehrung. Wichtig ist die Eisenchelierung bei langfristiger Transfusionsabhängigkeit zur Vermeidung einer sekundären Hämochromatose.


2002 ◽  
Vol 59 (7) ◽  
pp. 323-327
Author(s):  
Baum

Der mit zunehmendem Alter beobachtbare Verlust an Kraft, Koordination, Ausdauer und Flexibilität ist nur zum Teil als Alterungsprozess per se zu verstehen. Ein wesentlicher Einflussfaktor ist die körperliche Aktivität, d.h. die impliziten oder expliziten Trainingsreize. Denn alle körperlichen Leistungsmerkmale sind noch bis ins höchste Alter unter der Voraussetzung trainierbar, dass die Trainingsintensität und die Reizdichte hinreichend hoch sind. Bei Trainingsangeboten für ältere Menschen kommen der Kraft und der Koordination eine besondere Bedeutung zu, da sie die Basis für eine selbständige Lebensführung darstellen. Um das Krafttraining aus kardio-vaskulärer Sicht möglichst sicher zu gestalten, wurde von uns eine Trainingsform entwickelt und erprobt, bei der es im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden zu signifikant geringeren Blutdruckanstiegen kommt.


2002 ◽  
Vol 59 (11) ◽  
pp. 571-576 ◽  
Author(s):  
Gratwohl

Die Transplantation hämatopoietischer Stammzellen umfasst heute Stammzellen aus Knochenmark, peripherem Blut oder Nabelschnurblut. Leukämien, Lymphoproliferative Erkrankungen, aplastische Anämie und schwere angeborene Erkrankungen des Knochenmarkes sind Hauptindikationen für allogene, lymphoproliferative Erkrankungen, Leukämien, solide Tumoren und schwere Autoimmunkrankheiten Hauptindikationen für autologe Transplantationen. Neue Verfahren wie reduzierte Konditionierung und selektive Gabe von Spenderlymphozyten eröffnen die Stammzelltransplantation auch für ältere Patienten und für solche mit vorbestehender Komorbidität. Wenn immer möglich, wird die Transplantation ab Diagnose in den Behandlungsplan integriert. Die Wahl des Verfahrens und des geeigneten Zeitpunktes wird nach individuellem Risikoprofil erstellt. Alter oder Diagnose sind nicht mehr alleinige Entscheidungskriterien. Als etablierte Therapieform dürfte die hämatopoietische Stammzelltransplantation als Modell dienen für Stammzelltransplantationen auch anderer Organe.


2010 ◽  
Vol 67 (5) ◽  
pp. 257-263 ◽  
Author(s):  
Monika Ebnöther

Eine Anämie, entsprechend einem Hämoglobin von unter 120 g/l für Frauen, respektive 130 g/l für Männer, ist eine häufige Folge von höchst unterschiedlichen Krankheiten bei älteren Menschen. Es handelt sich dabei einerseits um Mangelanämien, andererseits um Anämien bei chronischen Krankheiten und unerklärte Anämien, welche bis ein Drittel der Patienten umfassen. Auch ältere Patienten sollten abgeklärt werden mit Anamnese, klinischer Untersuchung und dem kompletten Blutbild mit Erythrozytenindizes und -morphologie sowie Retikulozytenzahl. Anhand des mittleren korpuskulären Volumens kann eine Vitamin B12- oder Folsäure-Mangel-Anämie identifiziert werden, mikrozytäre Anämien sprechen für einen Eisenmangel, während normozytäre Anämien bei chronischen Krankheiten, Niereninsuffizienz oder Entzündungen auftreten. Die Behandlung zielt auf die Korrektur des Grundproblems, wo möglich. Die rekombinanten Wachstumsfaktoren sind in der Therapie der renalen Anämie etabliert, konnten sich aus Kosten- und Sicherheitsgründen aber bei anderen Anämieformen nur bedingt durchsetzen. Bluttransfusionen können dort erforderlich sein.


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