ADHS bei Erwachsenen

2017 ◽  
Vol 65 (2) ◽  
pp. 121-131 ◽  
Author(s):  
Hannes Bitto ◽  
Beatrice Mörstedt ◽  
Sylvia Faschina ◽  
Rolf-Dieter Stieglitz
Keyword(s):  

Zusammenfassung. Klassifizierungs- und Strukturierungsmöglichkeiten psychischer Störungen und Konstrukte sind in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt empirischer Forschung geworden. Im Mittelpunkt steht dabei die Debatte um die bisherige kategoriale versus einer neuen dimensionalen Sichtweise. ADHS gehört zu den Störungsbildern, für welche ein dimensionales Konzept plausibel erscheint. Empirische Belege hierfür liefern verschiedene taxonomische Studien an Kindern und Jugendlichen mit ADHS. Für Erwachsene gibt es bisher nur wenig empirische Untersuchungen zu dem Thema. Daher ist die vorliegende Studie eine erste Auseinandersetzung mit der Beschaffenheit von ADHS bei Erwachsenen, wobei den Befunden bei Kindern folgend von einer dimensionalen Struktur ausgegangen wird. Zwei Stichproben wurden zur Beantwortung der Fragestellung herangezogen: 605 Personen einer gesunden Normalstichprobe und 722 Personen aus einer klinischen Stichprobe, bestehend aus 336 Personen ohne ADHS-Diagnose und 386 Personen mit ADHS-Diagnose. Untersucht wurden alle Personen mittels der ADHS-Selbstbeurteilungsskala (ADHS-SB). Zur statistischen Überprüfung der Fragestellung wurden Diskriminanzanalysen und eine Faktorenanalyse durchgeführt, weiterhin wurden finite Mischverteilungsmodelle mit Hilfe des EM-Algorithmus gerechnet. Die Diskriminanzanalysen konnten zeigen, dass Grenzwerte nur bedingt dazu in der Lage sind, zwischen Personen mit und ohne ADHS zu diskriminieren. Die Faktorenanalyse ergab für alle Gruppen die gleiche Zwei-Faktoren-Lösung der ADHS, welche auch vom DSM-5 vorgeschlagen wird (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität/Impulsivität). Weiterhin wiesen die Mischmodelle der verschiedenen Gruppen keine Unterschiede auf, welche eine kategoriale Sichtweise rechtfertigen würden. Insgesamt ist eine dimensionale Struktur des Störungsbildes auch bei Erwachsenen als wahrscheinlich anzunehmen. Dies bedeutet, dass die Symptome der ADHS extreme Ausprägungen normaler psychischer Phänomene darstellen und es keine klaren Grenzen zwischen Personen mit und ohne einer adulten ADHS gibt. Trotz möglicher dimensionaler Struktur handelt es sich bei der ADHS um eine psychische Störung. Das Abklären funktioneller Beeinträchtigungen könnte vermehrt helfen, Behandlungswürdigkeit festzustellen.

2017 ◽  
Vol 46 (1) ◽  
pp. 23-31 ◽  
Author(s):  
Linda M. Mehrmann ◽  
Antje Hunger ◽  
Alexander L. Gerlach

Zusammenfassung. Theoretischer Hintergrund: Pathologisches Hautzupfen/-quetschen (Dermatillomanie) ist mit der Aufnahme in das DSM-5 eine anerkannte psychische Störung. Fragestellung: Die Arbeit überprüft zwei Messinstrumente auf ihre psychometrische Güte: Die modifizierte deutsche Übersetzung der Skin Picking Scale (mSPS-D) und die Skin Picking Impact Scale (SPIS-D). Methode: Mittels einer Online-Erhebung wurden die Fragebögen an einer von Dermatillomanie betroffenen Stichprobe psychometrisch und faktorenanalytisch untersucht. Ergebnisse: Für die mSPS-D wurden für drei Subskalen sowie die Gesamtskala gute bis sehr gute Reliabilitätswerte (α = .76 – .81) ermittelt. Für den SPIS-D konnte die Faktorenstruktur der Kurzversion repliziert werden (α = .81). Beide Fragebögen können damit als reliable, valide und ökonomische Messinstrumente zur Erfassung von Pathologischem Hautzupfen/-quetschen gelten. Schlussfolgerungen: Die Messinstrumente bieten eine gute Grundlage für die weitere Erforschung des Pathologischen Hautzupfen/-quetschens.


2017 ◽  
Vol 68 (02) ◽  
pp. 75-81
Author(s):  
Jan Cwik ◽  
Henrik Kessler ◽  
Stephan Herpertz ◽  
Georgina Becker ◽  
Sandra Janetzky ◽  
...  

Zusammenfassung Theoretischer Hintergrund Die Abklärung, ob eine psychische Störung bei Suizidanten vorgelegen hat, stellt im Rahmen der psychologischen Autopsie ein besonderes diagnostisches Problem dar und wird kontrovers diskutiert. Fragestellung Inwieweit stimmen patienten- und angehörigengenerierte DSM-5®-Diagnosen überein? Methode Mit 20 Patientinnen und Patienten in stationärer psychosomatischer Therapie sowie deren Angehörigen oder Freunden wurde ein strukturiertes-klinisches Interview durchgeführt. In Bezug auf 78 patientengenerierte und 72 angehörigengenerierte Diagnosen wurden Übereinstimmungswerte ermittelt. Ergebnisse Insgesamt fanden sich in der vorliegenden Studie nur schwache Übereinstimmungen zwischen patientengenerierten und angehörigengenerierten DSM-5®-Diagnosen. Moderate Übereinstimmungen konnten bezüglich der folgenden Diagnosen gefunden werden: Posttraumatische Belastungsstörung, Somatische Belastungsstörung, Borderline Persönlichkeitsstörung und Binge-Eating-Störung. Lediglich für die Persistierende Depressive Störung, die Binge-Eating-Störung und die Borderline Persönlichkeitsstörungen konnten gute positive prädiktive Werte (0,75–0,80) beobachtet werden. Schlussfolgerungen Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass eine reliable Feststellung von psychischen Störungen basierend auf Angehörigenaussagen nicht möglich ist.


2018 ◽  
Vol 1 ◽  
pp. S22
Author(s):  
C. Hingray
Keyword(s):  

2014 ◽  
Vol 71 (10) ◽  
pp. 599-607 ◽  
Author(s):  
Martin Neuenschwander

Digitale Medien sind mittlerweile unentbehrlich in Schule, Beruf, Familie und Freizeit und durchdringen unseren Alltag immer stärker. Dazu vermögen sie die Menschen aller Altersstufen zu faszinieren dank vielfältiger und immer neuer Nutzungsmöglichkeiten für Kommunikation, Unterhaltung und Spiel. Von großer Relevanz sind diesbezüglich insbesondere soziale Netzwerke und Onlinespiele, an denen sich täglich Millionen beteiligen. Der Großteil der Bevölkerung nutzt diese interaktiven Medien funktional, selbstbestimmt und genussvoll. Andererseits belegen empirische Studien, dass eine Minderheit von 1 % bis 6 % ein dysfunktionales, suchtartiges Verhalten zeigt, typischerweise bei der Onlinekommunikation, beim Computerspiel oder beim Konsum von erotisch-pornografischem Bildmaterial. Das Störungsbild „Onlinesucht“ ist zwar eine Realität, figuriert bisher aber nicht als offizielle Diagnose in den Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-5. Die Fachdiskussion über die nosologische Einordnung des Störungsbildes ist noch im Gang. Für die klinische Praxis existieren allerdings bereits jetzt valide diagnostische Hilfestellungen. Da das zur Verfügung stehende professionelle Beratungs- und Therapieangebot nur spärlich in Anspruch genommen wird, kommt der medizinischen Grundversorgung für die Früherkennung und Triage hinsichtlich adäquater Interventionen eine wichtige Bedeutung zu. Im deutschsprachigen Raum stehen verschiedene webbasierte Plattformen für Prävention, Beratung und Therapie zur Verfügung.


Author(s):  
Silke Behrendt ◽  
Barbara Braun ◽  
Randi Bilberg ◽  
Gerhard Bühringer ◽  
Michael Bogenschutz ◽  
...  

Abstract. Background: The number of older adults with alcohol use disorder (AUD) is expected to rise. Adapted treatments for this group are lacking and information on AUD features in treatment seeking older adults is scarce. The international multicenter randomized-controlled clinical trial “ELDERLY-Study” with few exclusion criteria was conducted to investigate two outpatient AUD-treatments for adults aged 60+ with DSM-5 AUD. Aims: To add to 1) basic methodological information on the ELDERLY-Study by providing information on AUD features in ELDERLY-participants taking into account country and gender, and 2) knowledge on AUD features in older adults seeking outpatient treatment. Methods: baseline data from the German and Danish ELDERLY-sites (n=544) were used. AUD diagnoses were obtained with the Mini International Neuropsychiatric Interview, alcohol use information with Form 90. Results: Lost control, desired control, mental/physical problem, and craving were the most prevalent (> 70 %) AUD-symptoms. 54.9 % reported severe DSM-5 AUD (moderate: 28.2 %, mild: 16.9 %). Mean daily alcohol use was 6.3 drinks at 12 grams ethanol each. 93.9 % reported binging. More intense alcohol use was associated with greater AUD-severity and male gender. Country effects showed for alcohol use and AUD-severity. Conclusion: European ELDERLY-participants presented typical dependence symptoms, a wide range of severity, and intense alcohol use. This may underline the clinical significance of AUD in treatment-seeking seniors.


Author(s):  
Barbara Braun ◽  
Silke Behrendt ◽  
Daniela Piontek ◽  
Ludwig Kraus ◽  
Gerhard Bühringer

Zusammenfassung. Zielsetzung: Der demographische Wandel lässt eine höhere Anzahl älterer Personen mit Alkoholproblemen erwarten, deren therapeutische Versorgung bislang unzureichend ist. Mit der internationalen, randomisiert-kontrollierten ELDERLY-Studie wurden zwei Varianten einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung für Personen ab 60 Jahren mit einer Alkoholkonsumstörung nach DSM-5 (AS) in drei Ländern erprobt. Methodik: Nach der Baseline-Befragung wurden die zufällig zugeordneten Behandlungsgruppen nach 1, 3, 6 und 12 Monaten erneut untersucht. Erfasst wurden Veränderungen (Zeit und Gruppe) hinsichtlich Trinkmenge, Anzahl abstinenter Tage, Anzahl Tage Rauschtrinken und Tage risikoarmen Konsums sowie Anzahl zutreffender DSM-5-Kriterien für AS. Complete-Case- und Intention-to-treat-Analysen werden für die deutsche Teilstichprobe vorgestellt (n=203). Ergebnisse: Für beide Behandlungsgruppen ergaben sich stabil bis zu 12 Monate nach Baseline ein Anstieg der Abstinenzrate (18 %; t0: 4 %), des Anteils der Personen ohne einen Tag mit riskantem Konsum (45 %, t0: 4 %) sowie ohne Rauschtrinken (68 %, t0: 15 %). Auch zeigte sich eine Verringerung der Trinkmenge (Median bei 27 g Reinalkohol pro Trinktag; t0: 58 g) und Anzahl erfüllter AS-Kriterien (Median bei 2; t0: 5). Schlussfolgerungen: Die Verbesserungen des Trinkverhaltens und der AS-Symptome waren trotz relativ kurzer Behandlungsdauer stabil. Motivierende Interventionen, insbesondere die persönliche Rückmeldung zum Trinkverhalten, bewirken auch bei älteren Personen mit alkoholbezogenen Störungen Verhaltensänderungen. Ein therapeutischer Nihilismus ist unangebracht; vielmehr sollten spezifische Bedürfnisse der Zielgruppe beachtet und in passenden Versorgungsangeboten umgesetzt werden.


2007 ◽  
Vol 20 (2-3) ◽  
pp. 135-139
Author(s):  
B. Dittrich ◽  
G. Gatterer ◽  
T. Frühwald ◽  
U. Sommeregger

Zusammenfassung: Das Delir (“akuter Verwirrtheitszustand”) bezeichnet eine psychische Störung, die plötzlich auftritt, durch eine rasche Fluktuation von Bewusstseinslage und Aufmerksamkeitsleistung gekennzeichnet ist und eine organische Ursache hat. Dieses Störungsbild nimmt bei Patienten im höheren Lebensalter deutlich an Häufigkeit zu und verursacht durch verlängerte Krankenhausaufenthalte und ungünstige Krankheitsverläufe erhebliche Kosten im Gesundheitssystem. Daher erscheint eine möglichst frühe Erkennung deliranter Zustandsbilder gerade im Rahmen der Geriatrie von großer Bedeutung. Zu diesem Zweck wurde eine deutsche Version der international weit verbreiteten Confusion Assessment Method entwickelt, die für die Bedürfnisse einer Abteilung für Akutgeriatrie modifiziert wurde. Dargestellt werden die Entwicklung und erste Erfahrungen mit diesem Instrument.


Author(s):  
Jessica W. M. Wong ◽  
Friedrich M. Wurst ◽  
Ulrich W. Preuss

Abstract. Introduction: With advances in medicine, our understanding of diseases has deepened and diagnostic criteria have evolved. Currently, the most frequently used diagnostic systems are the ICD (International Classification of Diseases) and the DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) to diagnose alcohol-related disorders. Results: In this narrative review, we follow the historical developments in ICD and DSM with their corresponding milestones reflecting the scientific research and medical considerations of their time. The current diagnostic concepts of DSM-5 and ICD-11 and their development are presented. Lastly, we compare these two diagnostic systems and evaluate their practicability in clinical use.


Author(s):  
Dirk K. Wolter

Zusammenfassung. Zielsetzung: Übersicht über Suchtpotenzial und andere Risiken von Opioidanalgetika im höheren Lebensalter. Methodik: Narrativ review. Literaturrecherche in PubMed (Suchbegriffe: opioid analgesics UND abuse; opioid analgesics UND dependence; opioid analgesics UND addiction; opioid analgesics UND adverse effects; jeweils UND elderly) sowie aktuellen einschlägigen Standardwerken; Auswahl nach altersmedizinischer Relevanz und Aktualität. Ergebnisse: Die Verordnung von Opioidanalgetika (OA) hat in den letzten 25 Jahren massiv zugenommen, die weitaus meisten Verordnungen entfallen auf alte Menschen und Menschen mit chronischen Nicht-Tumorschmerzen (CNTS). Die diagnostischen Kriterien für die Opiatabhängigkeit in ICD-10 und DSM-5 sind für die OA-Behandlung von CNTS ungeeignet. Bei langfristiger OA-Behandlung bei CNTS kann eine spezifische Form von Abhängigkeit entstehen, die nicht mit der illegalen Opiat-(Heroin-)Sucht gleichzusetzen ist. Vorbestehende Suchterkrankungen und andere psychische Störungen sind die wesentlichsten Risikofaktoren. Weitere Nebenwirkungen sind zu beachten. Schmerztherapie bei Suchtkranken stellt eine besondere Herausforderung dar. Schlussfolgerungen: Die Anwendung von OA bei CNTS verlangt eine sorgfältige Indikationsstellung. Die besondere Form der Abhängigkeit von OA ist nicht ausreichend erforscht und wird zu wenig beachtet.


2016 ◽  
Vol 27 (2) ◽  
pp. 107-119 ◽  
Author(s):  
Adrian Frei ◽  
Christian Balzer ◽  
Françoise Gysi ◽  
Julie Leros ◽  
Andrea Plohmann ◽  
...  
Keyword(s):  

Zusammenfassung. Im Folgenden wird ein Beurteilungssystem zur Einschätzung des Schweregrades von neuropsychologischen Störungen vorgestellt. Insbesondere umfasst es spezifische Kriterien zur Ermittlung des Schweregrades einer Störung, die wiederum in Beziehung zur Funktions- und Arbeitsfähigkeit eines Patienten oder Versicherten gesetzt werden. Das Beurteilungssystem beruht auf den in der Suva-Tabelle 8 zur Einschätzung der psychischen Folgen einer Hirnverletzung definierten Kriterien. Infolgedessen ist es auch grundsätzlich damit vereinbar, stellt aber aufgrund des Miteinbezugs von neuropsychologischen Testergebnissen in Form von Standardwerten als Beurteilungskriterium sowie verbunden mit den Erläuterungen zu deren Interpretation und Anwendung eine wesentliche Weiterentwicklung dar. Im Gegensatz zur Suva-Tabelle 8 ist das Beurteilungssystem unabhängig vom kausalen Versicherungskontext des UVG. Es kann somit unter anderem auch in Rahmen des IVG und KVG/VVG angewandt werden. In diesem Sinne ist es sowohl unabhängig von der Ätiologie des jeweiligen Beschwerdebildes wie auch unabhängig von der artifiziellen dichotomen Unterscheidung zwischen „organischen“ und „nichtorganischen“ psychischen Störungen. Mit der Erstellung und Publikation dieser neuen Kriterien-Tabelle soll ein Beitrag zur weiteren Verbesserung der Interrater-Reliabilität im Rahmen der Beurteilung des Schweregrades von neuropsychologischen Störungen sowie der Einschätzung der Funktionsfähigkeit geleistet werden. Nicht zuletzt ist das Beurteilungssystem auch kompatibel mit den im DSM-5 festgelegten Kriterien zur Einschätzung des Schweregrades einer neurokognitiven Störung.


Sign in / Sign up

Export Citation Format

Share Document