Komorbidität von Depression und Alkoholabhängigkeit

2004 ◽  
Vol 23 (01) ◽  
pp. 13-20 ◽  
Author(s):  
M. Lieb ◽  
M. Soyka

ZusammenfassungDie Komorbidität von depressiven Syndromen und Alkoholabhängigkeit wurde in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand der Forschung. Nach chronologischen Gesichtspunkten wird unterschieden zwischen primären und sekundären, nach ätiologischen zwischen abhängigen und unabhängigen depressiven Syndromen. Die unterschiedlichen Ergebnisse, die hinsichtlich der Komorbidität in klinischen Studien ermittelt wurden, erklären sich vor allem durch die Verwendung unterschiedlicher Diagnosesysteme, die Auswahl der untersuchten Stichproben und den Zeitpunkt der Untersuchung. So waren im Entzug depressive Symptome deutlich häufiger. Auch auf geschlechtsspezifische Unterschiede wurde eingegangen. Dabei fanden sich depressive Störungen bei Frauen deutlich öfter. Die validesten Ergebnisse hinsichtlich der Prävalenz einer Komorbidität wurden durch epidemiologische Untersuchungen erzielt. Der vorliegende Beitrag stellt daneben neuere biologische und genetische Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Depressivität und Alkoholabhängigkeit dar und diskutiert prognostische und therapeutische Implikationen.

Author(s):  
Sabine Loeber ◽  
Christina Dinter ◽  
Karl Mann

Fragestellung: Im Verlauf einer Suchterkrankung kommt es häufig zum Auftreten depressiver Störungen. Depressive Symptome, die auch nach Abschluss der Entzugsphase persistieren, erweisen sich als ein zentraler Prädiktor für einen Rückfall und sollten im Rahmen von Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden. Methodik: In der vorliegenden Arbeit wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um sowohl randomisierte Therapievergleichsstudien als auch weitere klinische Studien zu identifizieren, die die Effektivität einer integrativen Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen und Depression untersuchen. Ergebnisse: Die Ergebnisse der wenigen identifizierten Untersuchungen zeigen, dass durch ein integratives Behandlungskonzept, bei dem sowohl die Suchterkrankung als auch depressive Störungen behandelt werden, eine Reduktion depressiver Symptome und eine Steigerung der Abstinenzquote erzielt wird. Schlussfolgerungen: Methodische Mängel der vorliegenden Untersuchungen bzw. die noch ausstehende Replikation von Befunden schränken jedoch gegenwärtig die vorliegenden positiven Ergebnisse zur integrierten Behandlung ein. Ferner gestaltet sich die Etablierung integrierter Behandlungsansätze aufgrund der nach wie vor zu beobachtenden Trennung zwischen Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe und allgemein-psychiatrischen Einrichtungen schwierig.


2021 ◽  
Vol 78 (8) ◽  
pp. 427-434
Author(s):  
Martin Birkhäuser

Zusammenfassung. Frauen besitzen in jedem Alter eine höhere Inzidenz für Depressionen als Männer. Die lebenslängliche Prävalenz von depressiven Störungen ist bei Frauen doppelt so hoch und erreicht 18 – 21 %. Die menopausale Übergangszeit ist ein «Fenster mit erhöhter Verletzlichkeit» und kann eine depressive Verstimmung auslösen. Deren Wahrscheinlichkeit ist in der menopausalen Übergangszeit 1,5 bis 4-mal höher als in der Prämenopause, vor allem bei Frauen mit vasomotorischen Symptomen und zusätzlichen Risikofaktoren für Stimmungsveränderungen und Depression. Dies wird bei klimakterischen Frauen immer noch unterschätzt. Von Hausärzten und Gynäkologen sollte aktiv danach gesucht werden. Östrogene modulieren wie SSRI / SNRI und Antidepressiva den Stoffwechsel von Serotonin und Noradrenalin und beeinflussen Stimmungslage, mentale Funktionen und Kognition. In der menopausalen Übergangszeit kann eine Östrogentherapie Stimmungslage, Angstzustände und depressive Symptome verbessern. Bei peri- und früh postmenopausalen Frauen mit vasomotorischen Symptomen können Östrogene als Therapie der ersten Wahl für depressive Störungen eingestuft werden. Dagegen verbessern Östrogene Depressionen in der späten Postmenopause nicht mehr. Bei depressiven älteren postmenopausalen Frauen ohne Wallungen bleiben SSRI / SNRI und Antidepressiva das Mittel der ersten Wahl. Jede pharmakologische Behandlung muss immer in ein globales therapeutisches Konzept eingebettet werden. Oft gehören dazu unter anderen Massnahmen eine Psychotherapie und soziale Korrekturen.


2021 ◽  
Vol 21 (02) ◽  
pp. 103-108
Author(s):  
Lena Lincke ◽  
Michael Kölch

ZUSAMMENFASSUNGBei depressiven Störungen im Kindes- und Jugendalter handelt es sich um ernstzunehmende Erkrankungen. Sie treten häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen auf, neigen zur Chronifizierung und können die Funktionsfähigkeit und Teilhabechancen der Betroffenen langfristig beeinträchtigen. Alterstypische Symptome, wie eine gereizte Stimmung oder anhaltende Lustlosigkeit werden häufig nicht erkannt, da sie sich von den aus dem Erwachsenenalter bekannten Symptomen unterscheiden. Gerade in der Pubertät können depressive Symptome zudem schwer von alterstypischem Verhalten abzugrenzen sein. Das Auftreten depressiver Störungen lässt sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Neben neurobiologischen Faktoren tragen insbesondere schwere, belastende Lebensereignisse zu einem erhöhten Risiko bei, im Kindes- und Jugendalter an einer Depression zu erkranken. Die Behandlung depressiver Störungen orientiert sich am Schweregrad der Erkrankung und umfasst zumeist verhaltenstherapeutische Interventionen, teils in Kombination mit einer Medikation. Ergänzende Behandlungsansätze, wie Lichttherapie oder spezifische Ernährungszusätze werden auf ihre Wirksamkeit überprüft.


1999 ◽  
Vol 13 (1/2) ◽  
pp. 84-99 ◽  
Author(s):  
Andrea E. Abele ◽  
Manuela Schute ◽  
Miriam S. Andrä

Zusammenfassung: In der Erlanger Längsschnittstudie zur beruflichen Entwicklung von Akademikerinnen und Akademikern wurden bei N = 1500 Absolvierenden und sämtlicher an der Universität gelehrter Fachrichtungen berufliche Werthaltungen und retrospektive Studienwahlgründe erfragt. Geschlechtsspezifische Unterschiede in beruflichen Werthaltungen sollten insbesondere über Selektionseffekte vermittelt sein, während fachspezifische Sozialisationseffekte potentielle Geschlechtsunterschiede nivellieren. Die Befunde zeigen, daß Selektionseffekte schulischer Interessen (Lieblingsfächer, die geschlechtsspezifisch variieren) auf die Studienfachwahl bestehen. Innerhalb der Fächer unterscheiden sich die Gründe für die Studienfachwahl und auch die Berufsorientierungen bei der Studiumsgestaltung zwischen Frauen und Männern nicht. Bei den beruflichen Werthaltungen bestehen zwischen den Fächern Unterschiede, während innerhalb der Fächer nur minimale Geschlechtseffekte zu beobachten sind. Gefolgert wird, daß (a) Fachunterschiede in beruflichen Werthaltungen bedeutsamer sind als Geschlechtsunterschiede sowie daß (b) innerhalb von Fächern die nach dem Examen bestehenden beruflichen Werthaltungen kein Prädiktor für potentiell geschlechtsdifferente Berufsverläufe sind.


2004 ◽  
Vol 35 (3) ◽  
pp. 157-170
Author(s):  
Martin J. Binser ◽  
Friedrich Försterling
Keyword(s):  

Zusammenfassung: Das hier vorgestellte Modell begreift Depression nach Fehl- und Totgeburten als einen evolutionären Schutzmechanismus vor erneuten fötalen Verlusten. Das Modell postuliert, dass depressive Symptome zu einer Verzögerung des nächsten Reproduktionsversuches führen und damit eine Anpassung an Ursachen fötaler Verluste (Epidemien, Hungersnöte, Infektionen, Umweltgifte) ermöglicht. Im Detail postulieren wir, dass die Symptome dieser Depression drei adaptive Funktionen erfüllen: Verzögerung der nächsten Schwangerschaft, Ressourcenschonung und Ursachensuche. Diese Reaktionen sollen die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Fehlgeburt reduzieren. Zur Überprüfung des Modells wird bisher nicht in Zusammenhang gebrachte Literatur über (1) die Bedeutung fötaler Verluste als Depressionsauslöser, (2) den Einfluss von Depression auf eine Verzögerung der Reproduktion und (3) die Auswirkung dieser Verzögerung auf nachfolgende Reproduktionsversuche dargestellt und diskutiert.


2010 ◽  
Vol 67 (11) ◽  
pp. 555-560
Author(s):  
Johannes Beck ◽  
Edith Holsboer-Trachsler
Keyword(s):  

Depressive Patienten berichten oft nicht spontan von depressiven Symptomen, daher müssen diese aktiv exploriert werden. Da depressive Symptome bei einer Vielzahl von psychiatrischen und somatischen Erkrankungen auftreten können, ist eine sorgfältige Differentialdiagnostik wichtig. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Differentialdiagnosen und empfiehlt einen Stufenplan der diagnostischen Abklärung.


2004 ◽  
Vol 17 (4) ◽  
pp. 215-224 ◽  
Author(s):  
Martin Haupt

Zusammenfassung: Depressive Störungen sind neben den Hirnleistungsstörungen die häufigsten psychischen Störungen im höheren Lebensalter. Dennoch ist die Qualität der Versorgung niedrig; sie lässt vor allem in der Erkennung und wirksamen Behandlung zu wünschen übrig. Auch im Alter ist das biopsychosoziale Modell zur Erklärung des Zustandekommens der Störungen am besten geeignet. Zu den Symptombesonderheiten depressiver Syndrome im Alter zählen insbesondere die kognitiven Einbußen, die dysexekutiven Beeinträchtigungen und die subdiagnostischen Symptome; zudem sind depressive Störungen im Alter eng verknüpft mit Erkrankungen des kardio- und zerebrovaskulären Systems. In der primärärztlichen Versorgung, der zutreffenden Erkennung affektiver Symptome bei älteren Menschen und in der adäquaten pharmakologischen und psychosozialen Therapie verpflichten diese Symptombesonderheiten den behandelnden Arzt und Facharzt zu individuellen Lösungsstrategien.


2008 ◽  
Vol 21 (3) ◽  
pp. 163-169 ◽  
Author(s):  
J.C. Ennen ◽  
B.W. Mueller ◽  
M. Bibl ◽  
H. Esselmann ◽  
A. Rütten ◽  
...  

Der vorliegende Bericht beschreibt ein vom Bundesministerium für Gesundheit gefördertes Vorhaben zum «Leuchtturmprojekt Demenz» im Themenfeld 1 «Therapie und Pflegemaßnahmen: Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen». Hierbei handelt es sich um eine multizentrische randomisierte Interventionsstudie, die den Einfluss von Sport (multimodale sportliche Aktivität) unter kontrollierten Bedingungen auf die kognitive Entwicklung von Alzheimer-Patienten im frühen Stadium prüft. In einem zweiarmigen Design werden je 150 Patienten mit früher AD unter Verum- bzw. Kontroll-Bedingungen untersucht. Die Verum-Gruppe erhält ein spezifisches sportliches Trainingsprogramm. In der Kontrollgruppe werden lediglich Dehnungsübungen durchgeführt. Primäre Endpunkte der Studie sind die kognitive Leistung der Patienten sowie deren Alltagskompetenz im Verlauf. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten sowie etwaige Verhaltensstörungen und depressive Symptome werden als sekundäre Endpunkte erfasst. Darüber hinaus werden die Angehörigen zur krankheitsbezogenen Belastung befragt und auf depressive Symptome untersucht. Angelehnt an die Hypothesen der «Initiative Demenzversorgung in der Allgemeinmedizin» (IDA) sollen entsprechende nicht-medikamentöse Versorgungsangebote dazu beitragen, dass Patienten länger in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld leben. Im Sinne der Nachhaltigkeit der zu erwartenden Ergebnisse wird ein «Do it yourself»-Manual erstellt, mit dem das Trainingsprogramm auch ohne professionelle Anleitung, z. B. im Rahmen von Selbsthilfegruppen durchgeführt werden kann. Die weitere Implementierung (z. B. in Internetforen und weiteren Medien) wird durch einen Beirat der lokalen Krankenkassen, Gesundheitsämter und der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft unterstützt.


Author(s):  
Andreas Jähne ◽  
Thomas Unbehaun ◽  
Dieter Riemann

Fragestellung: Ziel ist die Darstellung der Schlafbeeinflussung durch die weit verbreiteten „Alltagsdrogen“ Koffein, Alkohol und Nikotin. Ergebnisse: Während Koffein und Nikotin als stimulierende Substanzen schlafinhibierende Effekte haben, überwiegen beim Alkohol die schlafinduzierenden Wirkungen. Im Nikotin- und Alkoholentzug sind insomnische Beschwerden häufige Symptome, die Einfluss auf die Abstinenzerwartung nehmen können. Dabei scheinen sich Substanzkonsum, insomnische und depressive Symptome wechselseitig zu beeinflussen. Aber auch periodische Beinbewegungen oder schlafassoziierte Atmungsstörungen können die Schlafqualität reduzieren. Beeinträchtigte Schlafqualität wiederum geht mit einem erhöhten Risiko für Depression und Substanzkonsum einher. Schlussfolgerung: Schlafstörungen bei Alkohol- und Tabakabhängigkeit sollten deshalb frühzeitig erkannt und behandelt werden. Das Fehlen prospektiver Interventionsstudien erschwert die Beurteilung des Einflusses einer Therapie der Schlafstörungen auf Abstinenz und psychiatrische Komorbidität.


2018 ◽  
Vol 29 (3) ◽  
pp. 141-147
Author(s):  
Simon Ladwig ◽  
Matthias Volz ◽  
Katja Werheid

Zusammenfassung. Während Frauen in der Allgemeinbevölkerung ein höheres Depressionsrisiko aufweisen als Männer, ist die Forschungslage zu Geschlechterunterschieden nach Schlaganfall heterogen. Die vorliegende Längsschnittstudie untersucht Geschlechterunterschiede in der Häufigkeit von depressiven Störungen und Symptomen nach Schlaganfall. An zwei deutschen Rehabilitationszentren wurden N = 174 Schlaganfallpatienten und -patientinnen 1 (n = 72 weiblich) rekrutiert und etablierte Risikofaktoren erfasst. Nacherhebungen fanden nach acht und 15 Monaten statt. Depressive Störungen und Symptome waren häufiger bei Frauen (48.2 %) als bei Männern (28.3 %) während der stationären Rehabilitation, jedoch nicht in den Folgeuntersuchungen. Etablierte Risikofaktoren beeinflussten geschlechtsunabhängig die Ausprägung depressiver Symptomatik. In Übereinstimmung mit aktuellen Meta-Analysen zeigten sich keine dauerhaften Geschlechterunterschiede bei Depression nach Schlaganfall. In der klinischen Praxis sollte die Affektlage von Schlaganfallpatienten geschlechtsunabhängig betrachtet werden.


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