Interventionseffekte bei Lese-Rechtschreibstörung: Evaluation von zwei Förderkonzepten unter besonderer Betrachtung methodischer Aspekte

2013 ◽  
Vol 2 (3) ◽  
pp. 161-175 ◽  
Author(s):  
Katarina Groth ◽  
Sandra Hasko ◽  
Jennifer Bruder ◽  
Sarah Kunze ◽  
Gerd Schulte-Körne

Die Lese-Rechtschreibstörung (LRS) ist eine der häufigsten umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten und bleibt meist bis ins Erwachsenenalter bestehen. Schulische Schwierigkeiten und psychische Störungen sind oft Begleitsymptome der LRS. Aus diesem Grund ist nachhaltige Förderung von größter Bedeutung. Die Fördereffekte bisheriger Interventionsstudien sind jedoch recht gering, und vielen Studien mangelt es an ausreichender methodischer Fundierung. Ziel dieser Studie ist daher die Überprüfung zweier Interventionsprogramme in einem Prä-Post Experimental-Warte-Kontrollgruppendesign. Vier Gruppen von Drittklässlern nahmen an der Studie teil. Zwei Gruppen von Kindern mit LRS (n = 40) wurden über sechs Monate zweimal wöchentlich mit einem Lese- oder Rechtschreibprogramm gefördert und mit einer Wartegruppe (n = 17), die erst nach sechs Monaten gefördert wurde, sowie einer nicht betroffenen Kontrollgruppe (n = 26) verglichen. Die quantitative und qualitative Analyse der Lese- und Rechtschreibleistungen vor und nach der Förderung zeigte, dass sich alle Kinder mit LRS signifikant verbesserten. Betrachtungen auf individueller Ebene zeigten jedoch auch, dass eine deutlich spezifischere Zuweisung zu einzelnen Förderprogrammen notwendig ist. Eine Überlegenheit einer einzelnen Gruppe fand sich nicht. Da sich auch die Wartegruppe der unbehandelten Kinder mit LRS verbesserten, können keine eindeutigen Schlüsse über die Effektivität der Förderung gezogen werden. Die Gründe hierfür sind unklar, müssen aber unbedingt verstanden werden. Hierzu fehlen jedoch weltweit Studien. Es ist dennoch zwingend notwendig, die spezifischen von den unspezifischen Fördereffekten zu unterscheiden. Eine Studie mit einer Placebogruppe mit gleicher Förderdauer und Zuwendung und einer unbehandelten Kontrollgruppe sowie eine nicht randomisierte und individuelle Zuweisung zu spezifischen Förderprogrammen könnte hierfür ein sinnvoller Lösungsansatz sein.

Author(s):  
Cornelia Bessler ◽  
Dorothea Stiefel ◽  
Steffen Barra ◽  
Belinda Plattner ◽  
Marcel Aebi

Zusammenfassung. Fragestellung: Die Prävalenz psychischer Störungen unter inhaftierten Jugendlichen ist hoch. Offen ist die Frage, ob damit eine erhöhte kriminelle Rückfälligkeit einhergeht. Methodik: Zwischen dem 01.08.2010 und 31.10.2012 wurden im kantonalen Jugendgefängnis Zürich alle inhaftierten männlichen Jugendlichen bei Eintritt psychiatrisch untersucht (N = 122). Die psychischen Störungen wurden anhand eines standardisierten Interviews erfasst. Nach der Haftentlassung wurden die Probanden im Kantonalen Rechtsinformationssystem betreffend Rückfälligkeit während eines Jahres nachkontrolliert. Ergebnisse: 90.2 % der Insassen litten unter mindestens einer psychiatrischen Störung. Über 70 % der Jugendlichen waren zum Zeitpunkt ihrer Inhaftierung von mehreren psychiatrischen Erkrankungen betroffen. Es konnten vier voneinander unabhängige Störungskategorien unterschieden werden: affektive Störungen, Angststörungen, Verhaltensstörungen und Abhängigkeitserkrankungen. Betreffend Rückfälligkeit fand sich, dass Jugendliche mit Verhaltensstörungen und/oder einer Abhängigkeitserkrankung häufiger mit einer Gewaltstraftat rückfällig wurden als aus dem Gefängnis entlassene Jugendliche ohne psychische Erkrankungen. Zudem zeigte sich, dass je jünger die inhaftierten Jugendlichen waren, desto kürzer war die Zeit nach ihrer Entlassung, bis sie eine Gewaltstraftat verübten. Schlussfolgerungen: Aufgrund der hohen Prävalenz von psychischen Störungen unter inhaftierten Jugendlichen ist es notwendig, dass diese Minderjährigen auch jugendpsychiatrisch-psychologisch untersucht und adäquat behandelt werden. Neben der psychiatrischen Versorgung der minderjährigen Gefängnisinsassen kann so auch den Anforderungen eines effektiven Opferschutzes und dem Sicherheitsbedürfnis unserer Gesellschaft entsprochen werden.


Author(s):  
G. Hinrichs ◽  
A. Behnisch ◽  
K. Krull ◽  
S. Reimers

Zusammenfassung Fragestellung: An einer Stichprobe von 145 männlichen Inhaftierten des Jugendstrafvollzuges wurden Einflussfaktoren, Struktur und Vorhersagbarkeit von Therapiemotivation erfasst. Methodik: Als Prädiktoren dienten biographische Daten, die Therapieerwartung, Persönlichkeitsmerkmale (gemessen mit dem FPI-R) sowie die psychische Belastung (erhoben über die Symptomcheckliste). Das Kriterium Therapiemotivation untergliederte sich in die Bereiche: Leidensdruck, Unzufriedenheit, Änderungswunsch, Hilfewunsch und Erfolgserwartung. Ergebnisse: Innerhalb der Stichprobe fand sich eine deutliche biographische, psychische und symptomatologische Belastung. Bei mittleren Werten für die Therapieerwartung und -motivation erklärten sich zwei Drittel zu einer Behandlung während ihrer Inhaftierung bereit. Schlussfolgerungen: Therapiemotivation erwies sich als eindimensionales Konstrukt, ließ sich am ehesten aus der emotionalen Labilität vorhersagen, gefolgt von der Symptombelastung, der Therapieerwartung sowie der Gehemmtheit. Bedeutsame Unterschiede durch zusätzliche Gruppenvergleiche fanden sich im Wesentlichen für die testpsychologischen Kennwerte, nicht so sehr für das Konstrukt der Therapiemotivation.


2001 ◽  
Vol 12 (4) ◽  
pp. 336-349 ◽  
Author(s):  
U. Müller

Zusammenfassung: Emotionale Störungen sind häufige und klinisch bedeutsame Folgeerscheinungen nach erworbener Hirnschädigung. In den letzten Jahren sind zahlreiche Original- und Übersichtsarbeiten zu epidemiologischen, pathophysiologischen und therapeutischen Aspekten neuro-psychiatrischer Störungen erschienen. Ausgehend von diagnostischen Überlegungen gibt die vorliegende Arbeit eine aktuelle Übersicht zur Pharmakotherapie von Depressionen, emotionaler Instabilität (pathologisches Weinen), organischer Manie (bipolarer Störung), Angststörungen und Antriebsstörungen (Apathie). Patienten mit Schlaganfall und traumatischer Hirnschädigung stehen im Mittelpunkt, so wie in der Forschungs- und Lehrbuch-Literatur. Psychische Störungen bei neurodegenerativen und systemischen Erkrankungen des Gehirns werden nur am Rande erwähnt. Ausführlich werden differentielle Indikationen und Nebenwirkungen neuartiger Antidepressiva diskutiert. Ausblickend werden innovative Therapiestrategien wie CRH-Antagonisten und die präventive Behandlung mit Antidepressiva vorgestellt.


2000 ◽  
Vol 57 (2) ◽  
pp. 59-61
Author(s):  
Schöpf

Eingangs wird die Wichtigkeit betont, Depressionen in der klinischen Praxis festzustellen. Der Autor weist auf die moderne Diagnostik mit operationalisierten Kriterien hin und zeigt Schwierigkeiten auf, die sich bei der Diagnosestellung ergeben können. Besonders atypische Symptome und komorbide psychische Störungen können dazu führen, daß das depressive Syndrom übersehen wird. Gelegentlich bleibt es unsicher, ob eine Depression vorliegt oder nicht. In solchen Fällen soll man im allgemeinen eine Depressionsbehandlung versuchen.


2014 ◽  
Vol 71 (10) ◽  
pp. 609-616
Author(s):  
Dieter Hofer ◽  
Franziska Wenger ◽  
Markus Kohler ◽  
Markus Badertscher

Abhängigkeitserkrankungen weisen eine hohe Prävalenz auf und kommen als komorbide Störungen gehäuft sowohl mit anderen psychiatrischen als auch somatischen Krankheiten vor. Sie werden aber leicht „übersehen“, weshalb die Diagnosestellung ein zielgerichtetes Vorgehen erfordert und komorbide psychische Störungen (Affektive- und Angsterkrankungen, Zwangsstörungen, psychotische Erkrankungen sowie ADHS) ausgeschlossen werden sollten. Bei schwerer, meist mehrfacher Abhängigkeit und in fortgeschrittenen Krankheitsstadien sind oft mehrere Therapeuten involviert, hier ist eine enge Absprache ausschlaggebend für eine wirksame Therapie. Die Therapeuten werden bei akuten, schweren Intoxikationen oder gravierenden psychosozialen und somatischen Folgeschäden mit der Frage nach fürsorgerischen Maßnahmen konfrontiert. Ärzte müssen in diesen Situationen sorgfältig zwischen therapeutischem Auftrag des Patienten und dem (in einigen Kantonen) im Rahmen einer Fürsorgerischen Unterbringung staatlich delegierten Auftrag unterscheiden. Suchterkrankungen treten im Alter vermehrt auf, werden aber nicht selten „übersehen“ oder bagatellisiert. Aber auch Low-Dose Abhängigkeiten von Beruhigungsmitteln haben eine hohe Komplikationsrate z. B. durch ein erhöhtes Sturzrisiko, weshalb bei Betagten die Verschreibung dieser Substanzen zurückhaltend erfolgen sollte.


2010 ◽  
Vol 67 (12) ◽  
pp. 609-612
Author(s):  
Walter H. Reinhart

Eine 67-jährige Patientin erlitt einen Herzinfarkt. In der Koronarangiographie fand sich thrombotisches Material in Koronararterien. Ursache dafür war eine paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, ein Stammzelldefekt, welcher durch komplementvermittelte hämolytische Schübe mit thromboembolischen Ereignissen gekennzeichnet ist. Wegen der koronaren Thrombosen wurden eine Antikoagulation und eine Antiaggregation eingeleitet. Darunter kam es zu einer intrazerebralen Massenblutung, an der die Patientin trotz zweimaliger neurochirurgischer Kraniektomie schließlich verstarb. Dieser tragische Fall zeigt, dass eine antithrombotische Behandlung immer wieder eine Gratwanderung mit ungewissem Ausgang ist.


2013 ◽  
Vol 70 (11) ◽  
pp. 695-702 ◽  
Author(s):  
Dagmar l'Allemand ◽  
Josef Laimbacher

Der Haus- oder Kinderarzt als erste Anlaufstelle kann das Übergewicht rechtzeitig erkennen, und bei Adipositas oder Komorbiditäten eine Therapie durchführen, bzw. Präventionsmaßnahmen einleiten. Übergewichts-Interventionen sind vor dem 7. Lebensjahr am effizientesten hinsichtlich kurz- und langfristiger Resultate. Da die Adipositas eine Betreuung der gesamten Familie erfordert, sind enger bzw. wiederkehrender Kontakt mit Kindern und Familie sowie die Wohnortnähe der Behandlung wichtig. Das Ändern von liebgewonnenen Gewohnheiten und des Erziehungsstils stellt die größte Herausforderung an die Eltern. Daher können Techniken der Alkohol- und Tabak-Sucht-Behandlung genutzt werden und Empfehlungen zur Verbesserung des Selbstwertes, der Bewegung sowie des Essverhaltens angeführt werden. Machbare Ziele umfassen zunächst kleine Lebensstiländerungen und Reduktion von Komorbiditäten, wenn eine extreme Adipositas mit BMI über der 99.5 Perzentile oder psychische Störungen bestehen, oder sich innert der ersten 6 Monate abzeichnet, dass die eigenen Ziele nicht erreicht werden können, ist die Weiterleitung an ein spezialisiertes Zentrum zur multiprofessionellen Behandlung indiziert, in der Spezialisten für Ernährung, Bewegung und Psychologie gemeinsam die Therapie des Kindes mit seiner Familie übernehmen. Die Adipositas ist bereits in der Kindheit eine chronische Erkrankung, die eine sehr langfristige Behandlung benötigt und meist bis ins Erwachsenalter andauert.


Author(s):  
Heribert Kirchner ◽  
Eva-Charlotte Kirchner-Overfeld ◽  
Georg Juckel ◽  
Martin Schäfer

Zusammenfassung. Einleitung: Das Ziel dieser Untersuchung war es, anhand eines 5-Jahres-Vergleiches in einer interdisziplinären Zentralen Notaufnahme (ZNA) mit psychiatrischer Vollversorgung bei alkoholbezogenen Patientenvorstellungen mögliche Veränderungen des Patientengutes herauszuarbeiten. Methodik: Hierzu erfolgte eine retrospektive Datenerhebung von alkoholbedingten ZNA-Vorstellungen in den Jahren 2009 und 2014. Patienten von mindestens 18 Jahren und mit einer alkoholassoziierten Vorstellung wurden in die Studie aufgenommen. In einem ersten Schritt erfolgte die Analyse der ZNA-Dokumentation. Danach wurde die digitale Klinikdokumentation hinsichtlich psychiatrischer und somatischer Komorbiditäten, erneuter C2-bedingter ZNA-Wiedervorstellungen und einer konsekutiven Inanspruchnahme eines suchtspezifischen stationären Behandlungsangebotes untersucht. Ergebnis: Im Jahr 2009 wurden in der Zentralen Notaufnahme 2267 psychiatrische Patientenvorstellungen erfasst. Davon konnten 596 (26.30 %) als alkoholassoziiert identifiziert werden. Im Jahr 2014 wurden 3.400 psychiatrische ZNA-Kontakte identifiziert, davon waren 1.021 Kontakte alkoholbedingt (30 %). Am Gesamtaufkommen aller ZNA-Kontakte machte die rein alkoholassoziierte Vorstellung im Jahr 2009 ca. 3,5 % aus, im Jahr 2014 lag der Anteil mit 4,2 % etwas höher. Es fand sich eine Erhöhung der produzierten Fälle pro Patient von 1,5 im Jahr 2009 auf 2 Fälle im Jahr 2014. Die Patientengruppen waren in beiden Jahren zu 70 % männlich und das Alter der Patienten, die sich alkoholassoziiert in der ZNA vorstellten, lag im Jahr 2009 im Mittel bei 45 Jahren (SD 11.7) und unterschied sich somit von Patienten aus dem Jahr 2014 mit einem Alter von 46 Jahren kaum (SD 13.1). Ein Großteil der Patienten nahm in den 12 Folgemonaten eine stationäre Behandlung wahr. Im Jahr 2009 waren hiervon 78,5 % der Pat. stationär im Jahr 2014 waren es 70,2 %. Es überwog im Jahr 2014 die kurze Verweildauer mit fast 50 % aller stationären Behandlungen (bis zu Zwei-Tage-Behandlung). Somatische Komorbidität hatte Einfluss auf die Verweildauer, psychiatrische Komorbidität erhöhte die Inanspruchnahme einer stationären Behandlung. Diskussion: Zwischen 2009 und 2014 hat sich die Charakteristik der alkoholbezogenen Patientenvorstellungen nicht wesentlich verändert. Jedoch konnte eine deutliche quantitative Veränderung i. S. einer Zunahme der alkoholassoziierten ZNA-Vorstellungen beobachtet werden.


Author(s):  
Dirk K. Wolter

Zusammenfassung. Zielsetzung: Übersicht über Suchtpotenzial und andere Risiken von Opioidanalgetika im höheren Lebensalter. Methodik: Narrativ review. Literaturrecherche in PubMed (Suchbegriffe: opioid analgesics UND abuse; opioid analgesics UND dependence; opioid analgesics UND addiction; opioid analgesics UND adverse effects; jeweils UND elderly) sowie aktuellen einschlägigen Standardwerken; Auswahl nach altersmedizinischer Relevanz und Aktualität. Ergebnisse: Die Verordnung von Opioidanalgetika (OA) hat in den letzten 25 Jahren massiv zugenommen, die weitaus meisten Verordnungen entfallen auf alte Menschen und Menschen mit chronischen Nicht-Tumorschmerzen (CNTS). Die diagnostischen Kriterien für die Opiatabhängigkeit in ICD-10 und DSM-5 sind für die OA-Behandlung von CNTS ungeeignet. Bei langfristiger OA-Behandlung bei CNTS kann eine spezifische Form von Abhängigkeit entstehen, die nicht mit der illegalen Opiat-(Heroin-)Sucht gleichzusetzen ist. Vorbestehende Suchterkrankungen und andere psychische Störungen sind die wesentlichsten Risikofaktoren. Weitere Nebenwirkungen sind zu beachten. Schmerztherapie bei Suchtkranken stellt eine besondere Herausforderung dar. Schlussfolgerungen: Die Anwendung von OA bei CNTS verlangt eine sorgfältige Indikationsstellung. Die besondere Form der Abhängigkeit von OA ist nicht ausreichend erforscht und wird zu wenig beachtet.


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