Zusammenfassung
Gegenstand und Ziel: Bei einem vierjährigen Vollbluthengst und einem 14-jährigen Fjordpferd-Wallach mit Leistungsdepression über sieben Monate bzw. mehrere Jahre und Ikterus wird eine primär kontinuierlich unkonjugierte Hyperbilirubinämie nachgewiesen. Material und Methoden: Im Blut wurden die unkonjugierte und konjugierte Bilirubinkonzentration sowie die Enzymaktivitäten bestimmt. Es erfolgte eine Überprüfung auf hämolytische Anämien (infektiöse Anämie, immunbedingte Erythrozytolyse, Babesiose, Ehrlichiose und primär intravaskuläre Hämolyse) und chronisch entzündliche Lebererkrankungen (Ultraschall und Biopsie). Der Wallach wurde mit 1 mg Phenobarbital/kg KM zweimal täglich p. o. über 20 Tage behandelt, um die Glucuronosyltransferase zu stimulieren und damit das unkonjugierte Bilirubin zu reduzieren. Ergebnisse: Die Konzentration des unkonjugierten Bilirubins beider Pferde lag bei Aufnahme zwischen 114,2 (konjugiert 8,3) und 76,4 (konjugiert 8,8) μmol/l und blieb ohne Therapie im Beobachtungszeitraum von vier bzw. fünf Monaten konstant zwischen 111,2 (konjugiert 10,8) und 58,1 (konjugiert 9,3) μmol/l. Der Coggins- Test (infektiöse Anämie) beider Pferde war negativ und der indirekte und direkte Coombs-Test konnten keine autoagglutinierenden Antikörper (immunbedingte Erythrozytolyse) nachweisen. Weder Zoiten (Babesia equi) in Erythrozyten noch Morula (Anaplasma phagocytophila) in neutrophilen Granulozyten waren nachweisbar. Die Konzentration des freien Hämoglobins im Serum lag beim Fjordpferd im Referenzbereich (zu Beginn 1,07 μmol/l; fünf Monate später 1,36 μmol/l). Beim Wallach ließ sich die Konzentration des unkonjugierten Bilirubins mit Phenobarbital von 76,4 auf 61,6 μmol/l senken. Der Hengst wies zu Beginn leicht erhöhte Aktivitäten der AST und γ-GT auf. Die monatliche Kontrolle der Enzyme AST, γ-GT, AP, GLDH und LDH beider Pferde ergab jedoch keine Abweichungen von den Referenzbereichen. Das Lebersonogramm des Hengstes zeigte eine normale Echogenität des Parenchyms und keine erweiterten Gefäße. Chronisch entzündliche Lebererkrankungen beim Hengst konnten mittels histologischer Untersuchung von Leberbioptaten ausgeschlossen werden. Schlussfolgerung und klinische Relevanz: Die Absenkung der Konzentration an unkonjugiertem Bilirubin durch Phenobarbital bei einem Pferd sowie der kontinuierlich erhöhte Serumspiegel des unkonjugierten Bilirubins ohne Nachweis einer hämolytischen Anämie oder chronisch entzündlicher Lebererkrankungen bei beiden Pferden zeigt eine Ähnlichkeit zum hereditären Gilbert-Meulengracht-Syndrom des Menschen. Die Aufnahme des unkonjugierten Bilirubins in die Leberzelle ist bei diesem Syndrom durch eine geringe Aktivität der Glucuronosyltransferase vermindert. Wie in diesen Fällen mit mildem Ikterus ist die primäre von der sekundären unkonjugierten Hyperbilirubinämie (hämolytische Anämien, Lebererkrankungen) zu unterscheiden.