Zusammenfassung
Einleitung: Die bisher in Deutschland durchgeführten Studien bezüglich der Versorgungssituation von Patienten mit osteoporotischer Fraktur beruhen zumeist auf Krankenkassendaten. Es werden daher nur diagnostizierte Erkrankungen erfasst. Ziel der Studie war es, die Dunkelziffer an nicht Osteoporose diagnostizierten Patienten zu erfassen, und die Einleitung von Diagnostik und Therapie nach Fragilitätsfrakturen im Allgemeinen und unter dem Einfluss von Risikofaktoren zu analysieren.
Material und Methode: In einer retrospektiven Beobachtungsstudie an orthopädischen und unfallchirurgischen Abteilungen im Rhein-Main-Gebiet wurde eine Analyse der versorgten Frakturen durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von > 50 Jahren mit einer ICD verschlüsselten Fraktur als Aufnahmediagnose. Die in der Krankenakte enthaltenden Daten wurden nach prävalenten Frakturen, nach für den Knochen-Stoffwechsel und für die Knochen-Stabilität relevanten Grunderkrankungen, einer vorbekannten Osteoporose, durchgeführter Diagnostik zur Sicherung oder Widerlegung der Diagnose einer Osteoporose, der Diagnosestellung einer Osteoporose und ggf. erfolgter Therapieeinleitung und – empfehlung nach einem vorliegenden Erhebungsbogen systematisch ausgewertet.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 2142 Patienten älter als 50 Jahre mit einer Fraktur ausgewertet. 1544 (72,1 %) waren weiblich und 598 (27,9 %) männlich. Davon wurde bei 1460 (68,2 %) der Patienten die Fraktur als osteoporotisch eingestuft. 80,3 % der Patienten mit osteoporotischer Fraktur waren älter als 70 Jahre. Die Hüftfraktur (55,2 %) war die häufigste Frakturlokalisation, gefolgt von der Wirbelkörperfraktur (14 %). Eine prävalente Fraktur gaben 14 % in der Anamnese an. Insgesamt nur bei 29,9 % der Patienten wurde eine Osteoporose als Ursache der Fraktur diagnostiziert. Bei 67,2 % der osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen wurde die Osteoporose erkannt, jedoch nur bei 16,3 % der osteoporotischen Hüftfrakturen. Zum Zeitpunkt der Entlassung wurden 6,6 % der Patienten mit einem antiosteoporotischen Medikament therapiert und bei 5,1 % wurde diesbezüglich eine Empfehlung im Entlassungsbrief ausgesprochen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass bei 70 % der Patienten die Diagnosestellung einer Osteoporose versäumt und dass 88,3 % der Patienten ohne eine spezifische antiosteoporotische Therapie oder einer Therapieempfehlung aus dem Krankenhaus entlassen wurden.
Zusammenfassung: Somit zeigt sich eine deutliche Versorgungslücke zwischen evidenzbasierter Medizin und alltäglicher Praxis. Frakturen bei älteren Menschen führen selten zur einer Diagnostik oder Therapie bezüglich Osteoporose. Angesichts der hohen Prävalenz der Osteoporose und der Zunahme der Inzidenz osteoporotischer Frakturen sind Konzepte zur besseren Versorgung gerade dieser Hochrisikopatienten notwendig. Die international zunehmende Etablierung von Fracture Liaison Services (FLS) zeigt in Untersuchungen, dass ein solches Konzept effektiv ist, um ein optimales Osteoporose-Management nach einer Fragilitätsfraktur zu erreichen und sekundäre Frakturen zu verhindern.