scholarly journals Berührungsmedizin – ein komplementärer therapeutischer Ansatz unter besonderer Berücksichtigung der Depressionsbehandlung

Author(s):  
Bruno Müller-Oerlinghausen ◽  
Michael Eggart ◽  
Henrik Norholt ◽  
Michael Gerlach ◽  
Gabriele Mariell Kiebgis ◽  
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ZusammenfassungHaut-zu-Haut-Berührung stellt die ursprünglichste Sinneserfahrung von Mensch und Tier dar. Ein Mangel an Berührung in der Kindheit ist mit negativen Folgen für die psychosoziale und körperliche Gesundheit verbunden. Für die Entdeckung von Rezeptoren für Temperatur und Berührung im Körper wurde 2021 der Medizin-Nobelpreis verliehen. Klinische Studien belegen den Nutzen von professionellen Berührungstechniken zur Prävention und Therapie verschiedener Erkrankungen. Der breiten Anwendung einer professionellen Berührungstherapie gilt jedoch bis heute nur ein geringes klinisches Interesse. Wir schlagen eine neue Fachdisziplin der „Berührungsmedizin“ vor und spannen nachstehend einen Bogen zwischen den Erkenntnissen moderner Berührungsforschung und der klinischen Medizin. Exemplarisch steht dabei die Behandlung der primär als Leibkrankheit konzipierten Depression im Vordergrund. Kontrollierte Studien und systematische Übersichten belegen die antidepressive, anxiolytische sowie analgetische Wirksamkeit spezieller Massagetechniken in dieser Indikation. Auch für die Neonatologie, Pädiatrie, Schmerzmedizin, Onkologie und Geriatrie konnte die Wirksamkeit heilsamer Berührung gezeigt werden. Die jeweiligen Wirkmechanismen werden auf verschiedenen Konstrukt-Ebenen diskutiert. Im Vordergrund des internationalen Forschungsinteresses stehen derzeit das Interozeptionskonzept, zum anderen endokrinologische, z. B. oxytocinerge Effekte und die Aktivierung sog. CT-Afferenzen.

2017 ◽  
Vol 6 (03) ◽  
pp. 185-198
Author(s):  
Thomas Deneke ◽  
Karin Nentwich ◽  
Kai Sonne ◽  
Franziska Fochler ◽  
Elena Ene ◽  
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ZusammenfassungDie neue ESC-Leitlinie zum Management von Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) aus 2016 gibt einen Überblick über die aktuelle Datenlage zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit VHF. Viele Empfehlungen der Leitlinie beruhen auf Expertenmeinung, und eine Anpassung durch zukünftige Studienergebnisse ist wünschenswert. Insbesondere wird ein multidisziplinärer, kooperativer Ansatz der Prävention, Diagnostik und Therapie von Vorhofflimmern in den Vordergrund gestellt. Ziel ist es, Patienten mit Vorhofflimmern in unterschiedlichen Settings optimal zu behandeln, wobei Lebensqualität und Prognose im Vordergrund stehen. Die Behandlung VHF-begünstigender Faktoren oder Komorbiditäten spielt eine entscheidende Rolle in der Prävention und Therapie von Patienten mit VHF. Neben diesen Empfehlungen zur Prävention und frühzeitigen Erkennung von Vorhofflimmern ist ein großer Teil der Leitlinie auf eine adäquate Schlaganfallprophylaxe und Risikostratifizierung ausgerichtet. Weiterhin wird der klinische CHA2DS2-VASc-Score zur Risikoprädiktion und adäquaten Indikation einer oralen Antikoagulation empfohlen. Insgesamt sind die Empfehlungen bei der Antikoagulation auf ein Vermeiden einer Unter- bzw. Überdosierung von Vitamin-K-Antagonisten zugunsten der neuen direkten Thrombininhibitoren verschoben. Die interventionelle Therapie von Vorhofflimmern wird für symptomatische, medikamentös therapierefraktäre Patienten, aber auch als „First-Line“-Therapie bei Wunsch des Patienten empfohlen. Die Einbindung des Patienten in die Prophylaxe und Entscheidungsfindung zur Therapie wird empfohlen und stellt einen zentralen Kernpunkt der Leitlinienempfehlungen dar, wobei kontrollierte Studien zum Nutzen der Einbindung interdisziplinärer Gremien bisher nicht existieren.


2019 ◽  
Vol 13 (04) ◽  
pp. 197-204
Author(s):  
Rima Chakaroun ◽  
Matthias Blüher

ZusammenfassungDas Darmmikrobiom ist ein komplexes Ökosystem, das aus einer Vielzahl von hauptsächlich Bakterien, aber auch Archaeen und Viren besteht. In den letzten Jahren konnte ein starker Zusammenhang zwischen Mikrobiom-Veränderungen und der Entstehung von Erkrankungen, zu denen auch Adipositas und verschiedene Stoffwechselkrankheiten gehören, gefunden werden. Darmbakterien sind an der Synthese essentieller Vitaminen, Extraktionen von Nährstoffen sowie den Abbau von Ballaststoffen beteiligt. Zusätzlich spielt das Mikrobiom eine wichtige Rolle in der Reifung des Immunsystems des Wirts, seiner Darmbarriere, der neuronalen intestinalen Aktivität, und der Produktion und Freisetzung von gastrointestinalen Hormonen. Veränderungen der Zusammensetzung des mikrobiellen Ökosystems im Darm sind mit dem Auftreten von Adipositas, Typ 2 Diabetes, arterieller Hypertonie, nicht alkoholischer Lebererkankung (NAFLD) sowie kardiovaskulären Krankheiten assoziiert.Vor allem tierexperimentelle Untersuchungen weisen auf einen starken Kausalzusammenhang zwischen dem Mikrobiom und diesen Erkrankungen hin. Hierfür können zusätzlich zu wirtspezifischen oder Umweltfaktoren sowohl Zusammensetzung wie auch die Funktion der Darmbakterien eine chronische systemische Inflammation mitverursachen und unterhalten.Ein möglichst diverses Mikrobiom kann die metabolische Gesundheit des Wirts positiv beeinflussen und stellt somit einen potentiellen therapeutischen Ansatz bei kardiometabolischen Erkrankungen dar. Beispielsweise werden Stuhltransplantationen zur Therapie unterschiedlicher Erkrankungen wie Clostridium difficile-Infektionen eingesetzt und verbessern auch bei Personen mit Metabolischem Syndrom die Insulinsensitivität. Bevor eine Modulation des Mikrobioms in der Zukunft zur Prävention und Therapie von Adipositas und begleitenden Erkrankungen eingesetzt werden kann, müssen noch weitere klinische Studien die Effektivität und Sicherheit einer gezielten Manipulation der Darmbakterien belegen.


2018 ◽  
Vol 75 (1) ◽  
pp. 77-80
Author(s):  
Simon Manuel Ewers ◽  
Malte Christian Claussen

Zusammenfassung. Schizophrene Psychosen sind schwere psychische Erkrankungen, die im Vergleich zu gesunden Individuen und anderen psychiatrischen Störungen mit einer geringen Lebenserwartung einhergehen. Als Risikofaktoren für die erhöhte Mortalität werden Übergewicht und zugehörige Gesundheitsprobleme wie Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen und mit Rauchen assoziierte Lungenerkrankungen genannt. Geringe körperliche Aktivität und vermehrtes sedentäres Verhalten wurden als wichtiger behavioraler Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen bei Menschen mit Schizophrenie identifiziert. Zahlreiche Forschungsergebnisse zeigen einen positiven Einfluss von Sport sowohl auf die psychische Symptomatik als auch die körperliche Gesundheit. In den vorliegenden Studien kamen jedoch unterschiedliche Arten von angeleiteter Bewegung mit divergierender Intensität im Gruppen- oder Einzelsetting zur Anwendung. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) empfiehlt den Einsatz von sport- und bewegungstherapeutischen Interventionen, aber es werden weitere grosse randomisiert kontrollierte Studien benötigt, um Art, Umfang und Dauer sowie die Wirkung der eingesetzten Methoden in den verschiedenen Phasen der Erkrankung zu untersuchen. Ein Ziel dabei sollte die evidenzbasierte Implementierung von spezifischen und systematischen sport- und bewegungstherapeutischen Interventionen als ergänzender Baustein neben der psychopharmakologischen und psychotherapeutischen Behandlung bei Menschen mit Schizophrenie sein.


2018 ◽  
Vol 49 (04) ◽  
pp. 339-345
Author(s):  
Giuseppe Magistro ◽  
Thilo Westhofen ◽  
Christian Stief ◽  
Christian Gratzke

ZusammenfassungNeue minimalinvasive Therapieansätze zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms verfolgen das Ziel, bei gleichwertiger Wirksamkeit zu den etablierten Referenzverfahren ein günstigeres Sicherheitsprofil zu gewährleisten. Insbesondere der vollständige Erhalt der sexuellen Funktion, einschließlich der antegraden Ejakulation, ist von großem Interesse. Idealerweise lassen sich die neuen Prozeduren im ambulanten Setting unter lokaler Betäubung durchführen. Unter den mechanischen Ansätzen konnte für das Urolift®-Verfahren in der kurz- und langfristigen klinischen Evaluierung eine signifikante Besserung der Symptome des unteren Harntraktes (lower urinary tract symptoms; LUTS) für ein selektives Patientengut ohne prominenten Mittellappen gezeigt werden. Dabei ist Urolift in Bezug auf den Erhalt der antegraden Ejakulation und einer kürzeren Rekonvaleszenz dem Referenzverfahren der transurethralen Resektion der Prostata (TURP) überlegen. In der ersten klinischen Beurteilung des „Temporary Implantable Nitinol Device“ (TIND) wurde die schnelle und einfache Durchführbarkeit der neuen Technik aufgezeigt mit ersten vielversprechenden Ergebnissen im 3-Jahres-Verlauf. Für eine adäquate Bewertung des Verfahrens stehen allerdings noch prospektive, randomisierte und kontrollierte Studien aus. Unter den neuen ablativen Verfahren demonstrierte die Verwendung von konvektivem Wasserdampf-Energietransfer in Form des Rezũm®-Systems eine gute Wirksamkeit und Sicherheit in der 3-Jahres-Beurteilung. Es ist auch bei Vorhandensein eines obstruktiven Mittellappens einsetzbar und schont hierbei die antegrade Ejakulation. Innovative Ablationstechnologien wie die Aquablation (AquaBeam®) stehen noch am Anfang ihrer klinischen Bewertung, doch zeigen bereits initiale klinische Studien vielversprechende Resultate, auch im direkten Vergleich mit der TURP.


2020 ◽  
Vol 68 (4) ◽  
pp. 207-216 ◽  
Author(s):  
Melanie S. Fischer ◽  
Anna-Lena Zietlow ◽  
Beate Ditzen ◽  
Matthew J. Cohen ◽  
Donald H. Baucom

Zusammenfassung. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Wirksamkeit paarbasierter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Psychotherapie bei psychischen Störungen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden Ansätze aus der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Paartherapie systematisch mit Interventionen der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) integriert und für die Behandlung eines breiten Spektrums individueller psychopathologischer Erkrankungen weiterentwickelt. Diese Ansätze grenzen sich deutlich von einer Paartherapie im klassischen Sinne ab und können als Psychotherapie bei einer psychischen Störung mit Krankheitswert unter Einbezug der Partnerin oder des Partners gewertet werden. Zentrale Konzepte der paarbasierten KVT werden kurz vorgestellt und die Ergebnisse klinischer Studien zusammengefasst. Insgesamt zeigen klinische Studien bei Depressionen, Substanzkonsumstörungen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Posttraumatischen Belastungsstörungen und Essstörungen signifikante Verbesserungen der Symptomatik und sind somit mindestens ebenso wirksam, wenn nicht wirksamer, als Einzelbehandlungen. Darüber hinaus zeigen sich in der paarbasierten KVT häufig auch Verbesserungen in der Partnerschaftsqualität sowie zum Teil in Faktoren wie Expressed Emotion oder Symptomakkommodation, welches beides Risikofaktoren für den Therapieverlauf sowie für ein Wiederauftreten der Störung sind. Dringend benötigt werden zusätzliche randomisiert-kontrollierte Studien für einen direkten Vergleich mit individueller KVT, welcher für einige Störungen noch nicht vorliegt, sowie für eine genauere Untersuchung von Faktoren, die eine paarbasierte KVT vs. eine individuelle KVT indizieren würden. Abschließend werden klinische Empfehlungen bezüglich der Indikation und Durchführung einer paarbasierten KVT zusammengefasst.


2017 ◽  
Vol 30 (02) ◽  
pp. 95-137
Author(s):  
Hannah Maren Schmidt ◽  
Cindy Höhn ◽  
Eugen Widmeier ◽  
Michael Martin Berner

ÜbersichtDiese systematische Übersichtsarbeit untersucht die Wirksamkeit psychosozialer Interventionen bei Männern mit formal diagnostizierten sexuellen Funktionsstörungen (SFS). Eingeschlossen sind randomisierte kontrollierte Studien (RCT) und kontrollierte klinische Studien (CCT) zwischen 1985 und 2014, welche mindestens eine psychosoziale Intervention und eine aktive Vergleichsgruppe (z. B. andere psychosoziale Intervention, medikamentöse oder somatische Behandlung) oder eine Kontrollgruppe (z. B. Warteliste, Placebo) einschließen. Studiencharakteristika und Ergebnisse sind durch zwei unabhängige Rater_innen nach einem standardisierten Manual extrahiert worden. Beurteilt wird zudem das Risiko einer systematischen Verzerrung (Risk of Bias). Es sind 25 Studien eingeschlossen. Die meisten Studien untersuchen Männer mit Erektionsstörung. Mehr als die Hälfte der Studien verwendet ein sexualtherapeutisches Konzept nach Masters und Johnson oder ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungskonzept. Insgesamt verbessern psychosoziale Interventionen die sexuelle Funktionsfähigkeit und Zufriedenheit. Teilweise ergibt sich jedoch auch in der Wartekontroll- oder der Placebo-Gruppe eine Verbesserung der sexuellen Symptomatik. Bei Erektionsstörungen zeigen sich unterschiedliche Ergebnisse im Hinblick auf die Frage, ob psychosoziale Interventionen einer pharmakologischen Behandlung überlegen sind. Der vorzeitige Orgasmus wird vermehrt in neueren Studien untersucht; vermindertes sexuelles Verlangen und verzögerter Orgasmus werden jedoch kaum und nur zusammen mit anderen Störungsbildern betrachtet. Eine Einschränkung stellt die oft ungenaue Berichterstattung der Primärstudien dar. Die verglichenen Interventionen zeigen meist eine vergleichbare Wirksamkeit, was auf gemeinsame zugrunde liegende Wirkfaktoren hindeuten kann.


2018 ◽  
Vol 97 (01) ◽  
pp. 14-23
Author(s):  
K. Feil ◽  
N. Böttcher ◽  
O. Kremmyda ◽  
C. Muth ◽  
J. Teufel ◽  
...  

ZusammenfassungZur Pharmakotherapie von vestibulären Erkrankungen kommen im Wesentlichen folgende Wirkstoffgruppen zum Einsatz: Antivertiginosa, Antikonvulsiva, Antidepressiva, Antiphlogistika, Anti-Menière-wirksame Substanzen, Migräneprophylaktika, Aminopyridine (Kaliumkanalblocker) und Acetyl-DL-Leucin (eine modifizierte essenzielle Aminosäure). Die Behandlung des Symptoms Schwindel und der begleitenden vegetativen Beschwerden wie Übelkeit, Brechreiz oder Erbrechen sollte zeitlich stets begrenzt werden. Bei einem akuten einseitigen Vestibularisausfall verbessern Kortikosteroide die Erholung der peripher vestibulären Funktion, ohne ausreichende Evidenz für eine allgemeine Empfehlung.Für die Wirksamkeit von Betahistin (16 mg dreimal täglich oder 48 mg dreimal täglich) bei Morbus Menière gibt es bislang keine ausreichende Evidenz, ggf. sollten hierbei höhere Dosierungen angestrebt werden – insbesondere, da in tierexperimentellen Studien eine Verbesserung der Durchblutung des Innenohrs nachgewiesen wurde. Bei der Vestibularisparoxysmie sind Carbamazepin/Oxcarbazepin wahrscheinlich wirksam, es fehlen aber noch randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) dazu. Bei der vestibulären Migräne gibt es bislang keine RCTs zur Wirksamkeit von Betablockern oder Topiramat, so dass hier aufgrund von klinischen Erfahrungen die Therapie in Analogie zur Migräne ohne Aura empfohlen wird.Aminopyridine werden für die Behandlung von Patienten mit Downbeat-Nystagmus (2 RCTs) und der episodischen Ataxie Typ 2 (EA2, 1 RCT) empfohlen. Die Wirksamkeit von Aminopyridinen wurde in tierexperimentellen und funktionellen Bildgebungsstudien evaluiert. Acetyl-DL-Leucin, eine modifizierte essenzielle Aminosäure, verbessert die klinischen Symptome der zerebellären Ataxie (bisher 3 Beobachtungsstudien). Nach tierexperimentellen Studien beschleunigt es auch die zentrale Kompensation vestibulärer Störungen; randomisierte klinische Studien dazu waren negativ. Derzeit werden die folgenden klinischen RCTs zu verschiedenen Erkrankungen durchgeführt: Vestibularisparoxysmie (Carbamazepin, VesPa), akute einseitige Vestibulopathie/Neuritis vestibularis (Betahistin, BETAVEST), vestibuläre Migräne (Metoprolol, PROVEMIG), BPPV (Vitamin D, VitD@BPPV), EA2 (Aminopyridin vs. Acetazolamid, EAT-2-TREAT) und zerebelläre Ataxien (Acetyl-DL-Leucin, ALCAT).


2004 ◽  
Vol 61 (09) ◽  
pp. 0588-0588
Author(s):  
C. Leitzmann

2017 ◽  
Vol 74 (4) ◽  
pp. 165-170
Author(s):  
Rainer Grobholz

Zusammenfassung. Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes und aufgrund von Vorsorgeprogrammen und verbesserter Aufklärung ist die Inzidenz derzeit weiter steigend. Neben der verbesserten klinischen Diagnostik hat die Bildgebung mittels multiparametrischer Magnetresonanztomographie (mpMRT) grosse Fortschritte erzielt. In Verbindung mit dem transrektalen Ultraschall (TRUS) und den MRT Daten ist eine gezieltere Diagnostik von auffälligen Herden in Form von sogenannten Fusionsbiopsien möglich. Die Einbindung der mpMRT in das Biopsieverfahren hat, im Vergleich zur konventionellen TRUS gesteuerten Biopsie, zu einer erhöhten Sensitivität für die Detektion klinisch signifikanter Tumoren geführt. Da das biologische Verhalten der Prostatakarzinome eine starke Heterogenität aufweist, ist es wichtig, behandlungsbedürftige Tumoren früh zu erkennen. Neben den klinischen Parametern spielt die bioptische Diagnostik dabei eine zentrale Rolle. Für die Einschätzung der Aggressivität ist der Gleason-Score nach wie vor einer der zentralen Parameter. Derzeit liegt die dritte Überarbeitung seit der Originalpublikation im Jahre 1966 vor. Um die Probleme des Gleason-Gradings zu umgehen, wurden neue Grad-Gruppen entwickelt, welche auf dem Gleason-Grading aufbauen. Hierbei werden einzelne oder mehrere Gleason-Scores in fünf verschiedene Gruppen mit gleichem biologischen Outcome zusammengefasst. Diese Gruppen erlauben eine sehr gute Unterteilung in Tumoren mit exzellenter Prognose und nur sehr geringem Progressionsrisiko sowie in Tumoren mit schlechter Prognose und hohem Progressionsrisiko. Diese Einteilung erleichtert das Gespräch mit dem Patienten und hilft bei der Auswahl der passenden Therapie. Gleichwohl gibt es noch Fälle, bei denen mehrere Optionen möglich sind und bei denen die Entscheidung für die eine oder andere Therapiestrategie schwierig sein kann. Um der Lösung dieses Problems näher zu kommen, sind derzeit Multigentests verfügbar, welche das Tumorgewebe auf eine bestimmte Anzahl von Genveränderungen untersuchen und daraus einen Scorewert berechnen, anhand welchem eine Risikoabstufung für ein aggressives biologisches Verhalten abgeleitet werden kann. Die Verfügbarkeit dieser Multigentests konnte die klinische Entscheidungsfindung hinsichtlich des weiteren therapeutischen Procedere verbessern, wie die ersten prospektiven Studien zu diesem Thema zeigen konnten. Grössere multizentrische prospektive klinische Studien mit entsprechenden klinischen Verlaufsdaten stehen jedoch noch aus, weshalb derzeit seitens der Fachgesellschaften noch keine Empfehlungen für den Einsatz von Multigentests abgegeben wurden.


Author(s):  
Sabine Loeber ◽  
Christina Dinter ◽  
Karl Mann

Fragestellung: Im Verlauf einer Suchterkrankung kommt es häufig zum Auftreten depressiver Störungen. Depressive Symptome, die auch nach Abschluss der Entzugsphase persistieren, erweisen sich als ein zentraler Prädiktor für einen Rückfall und sollten im Rahmen von Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden. Methodik: In der vorliegenden Arbeit wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um sowohl randomisierte Therapievergleichsstudien als auch weitere klinische Studien zu identifizieren, die die Effektivität einer integrativen Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen und Depression untersuchen. Ergebnisse: Die Ergebnisse der wenigen identifizierten Untersuchungen zeigen, dass durch ein integratives Behandlungskonzept, bei dem sowohl die Suchterkrankung als auch depressive Störungen behandelt werden, eine Reduktion depressiver Symptome und eine Steigerung der Abstinenzquote erzielt wird. Schlussfolgerungen: Methodische Mängel der vorliegenden Untersuchungen bzw. die noch ausstehende Replikation von Befunden schränken jedoch gegenwärtig die vorliegenden positiven Ergebnisse zur integrierten Behandlung ein. Ferner gestaltet sich die Etablierung integrierter Behandlungsansätze aufgrund der nach wie vor zu beobachtenden Trennung zwischen Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe und allgemein-psychiatrischen Einrichtungen schwierig.


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